Banngut
Als Jehova Gott mit dem Volk Israel handelte, verordnete er, dass bestimmte Gegenstände, Personen oder sogar ganze Städte mit einem sakralen Bann belegt werden sollten, wodurch sie vom allgemeinen oder profanen Gebrauch ausgeschlossen würden. Koehler und Baumgartner definieren chérem als „Weihung zur profanen Unbenutzbarkeit, zur Vernichtung oder zum nur kultischen Gebrauch“ und die kausative Verbform charám als „mit dem Bann ... belegen (aus Gesellschaft u[nd] Leben ausschließen, der Vernichtung weihen)“ (Lexicon in Veteris Testamenti Libros, 2. Auflage, Leiden 1958, S. 334; siehe auch Hebräisches und aramäisches Lexikon zum Alten Testament, 3. Auflage, Leiden 1967, S. 340). Banngut war daher für die Israeliten sozusagen tabu. Das entsprechende arabische Wort hat bis heute eine ähnliche Bedeutung beibehalten. Dem arabischen Muslim ist das heilige Gebiet von Mekka und Medina haram; und zum harim eines Scheichs haben von jeher nur der Eheherr und seine Eunuchen Zutritt gehabt.
2. Mose 22:20: „Wer irgendwelchen Göttern opfert außer Jehova allein, soll der Vernichtung geweiht werden [eine Form von charám].“ Diese Verordnung wurde unparteiisch auf die Israeliten selbst angewandt, zum Beispiel als sie in Schittim Götzendienst trieben, was den Tod von 24 000 Israeliten zur Folge hatte (4Mo 25:1-9). Wer etwas der Vernichtung Geweihtes besaß, konnte selbst mit einem solchen Bann belegt werden. So warnte Gott die Israeliten vor den religiösen Bildern der kanaanitischen Völker mit den Worten: „Du sollst nichts Verabscheuungswürdiges [ein Bild] in dein Haus bringen und tatsächlich zu etwas werden, was gleich ihm der Vernichtung geweiht ist [chérem]. Es sollte dir ganz und gar widerlich sein, und du solltest es unbedingt verabscheuen, denn es ist etwas der Vernichtung Geweihtes“ (5Mo 7:25, 26).
Der sakrale Bann wird zum ersten Mal im Gesetz Mose erwähnt. Wir lesen inDer sakrale Bann bedeutete nicht immer Vernichtung. Man konnte Jehova Gegenstände, Tiere und sogar Felder weihen, sodass sie heilige Dinge für sakralen Gebrauch durch die Priesterschaft oder im Tempeldienst wurden. Personen jedoch, die mit dem sakralen Bann belegt wurden, mussten unweigerlich zu Tode gebracht werden. Banngut konnte zu keinem Preis zurückgekauft werden. Das war ein wichtiger Unterschied zwischen Banngut und etwas, was sonst geheiligt wurde (3Mo 27:21, 28, 29; vgl. 3Mo 27:19, 27, 30, 31; 4Mo 18:14; Jos 6:18, 19, 24; Hes 44:29; Esr 10:8).
Kanaaniter. Der sakrale Bann erreichte während der Eroberung Kanaans seine größte Bedeutung. Vor dem eigentlichen Einzug in das Land, als der kanaanitische König von Arad im Negeb die Israeliten angriff, hieß Jehova das Gelübde der Israeliten gut, die Städte seines Königreiches der Vernichtung zu weihen (4Mo 21:1-3). Nachdem Sihon und Og, deren Königreiche ö. des Jordan lagen, die Israeliten angegriffen hatten, wurden auch diese Königreiche mit dem Bann belegt. Demzufolge töteten die Israeliten die Bevölkerung ihrer Städte und nahmen die Haustiere und anderes als Beute (5Mo 2:31-35; 3:1-7). Später, in den Ebenen Moabs, kurz bevor die Israeliten den Jordan überquerten, schärfte ihnen Jehova erneut die Wichtigkeit der reinen Anbetung ein sowie die Notwendigkeit, jeglichen verderblichen Einfluss zu meiden. Er bestimmte, dass sieben Völker im Land der Verheißung mit dem sakralen Bann belegt werden und dass diese Götzendiener von den Israeliten, ihren Scharfrichtern, der Vernichtung geweiht werden sollten (5Mo 7:1-6, 16, 22-26). Nur weit entfernt liegende Städte, deren Bevölkerung nicht zu diesen Völkern gehörte, sollten die Gelegenheit erhalten, Frieden zu schließen; dagegen sollten die Israeliten die Völker, von denen Gott gesagt hatte, sie müssten der Vernichtung geweiht werden, vertilgen, „damit sie euch nicht lehren, gemäß all ihren Abscheulichkeiten zu tun, die sie ihren Göttern gegenüber getan haben, und ihr tatsächlich gegen Jehova, euren Gott, sündigt“ (5Mo 20:10-18). Wenn sie einige von ihnen am Leben ließen, würden sie ganz bestimmt von ihrer falschen Religion angesteckt und verunreinigt werden. Ihre Ausrottung hätte für die Israeliten lebensrettend sein können. Von noch größerer Wichtigkeit aber war, dass so die Reinheit der Anbetung Jehovas, des universellen Souveräns, bewahrt blieb. Würden Familienangehörige oder die künftigen Bewohner einer israelitischen Stadt, die im Land der Verheißung erbaut werden würde, Abfall lehren, so sollten sie ebenfalls mit diesem Bann belegt werden (5Mo 13:6-17).
Auf der W-Seite des Jordan war Jericho die erste Stadt, die der Vernichtung geweiht wurde. Es musste alles vernichtet werden, nur die metallenen Gegenstände sollten für den Gebrauch im Heiligtum bewahrt werden. Wegen ihres Glaubens wurde Rahab samt ihrer Familie nicht mit dem Bann belegt. Obwohl Josua die Israeliten eindringlich davor gewarnt hatte, den Bann zu missachten, weil das zur Folge hätte, dass das ganze Volk der Vernichtung geweiht würde, nahm Achan von dem Banngut und machte sich so zu etwas, „was der Vernichtung geweiht“ war. Nur sein Tod bewahrte das ganze Volk davor, dass es nicht auch mit diesem Bann belegt wurde (Jos 6:17-19; 7:10-15, 24-26).
Gibeoniter. Danach wurden zahlreiche Städte der Vernichtung geweiht (Jos 8:26, 27; 10:28-42; 11:11, 12). Über diese Städte heißt es in dem Bericht: „Es fand sich keine Stadt, die mit den Söhnen Israels Frieden schloss, außer den Hiwitern, die Gibeon bewohnten. Alle anderen nahmen sie durch Krieg. Denn es erwies sich, dass es Jehovas Vorgehen war, ihr Herz verstockt werden zu lassen, sodass sie Israel den Krieg erklärten, damit er sie der Vernichtung weihe, sodass ihnen keine Vergünstigung widerfahren würde, sondern dass er sie vertilgen würde, so wie Jehova es Moses geboten hatte“ (Jos 11:19, 20).
Fehlschlag der Assyrer. Der Assyrer Sanherib prahlte damit, dass kein Gott fähig gewesen war, die Nationen, die seine Vorväter der Vernichtung geweiht hatten, zu retten (2Ch 32:14). Doch die falschen Götter der Assyrer konnten nicht bewirken, dass Jerusalem mit einem solchen Bann belegt wurde, und Jehova, der wahre Gott, sorgte dafür, dass Sanheribs Drohung nicht wirksam wurde. Dennoch wurde das Land Juda wegen der Widerspenstigkeit und der Auflehnung des Volkes schließlich ein Land, das Gott der Vernichtung weihte; es wurde durch Nebukadnezar verwüstet (Jer 25:1-11; Jes 43:28). Danach wurde auch Babylon im wahrsten Sinne des Wortes der Vernichtung geweiht (Jer 50:21-27; 51:1-3; vgl. Off 18:2-8).
Weitere Erwähnungen. Nachdem sich das Volk Israel im Land angesiedelt hatte, wurden die israelitischen Bewohner von Jabesch-Gilead mit einem Bann belegt, weil sie eine gemeinsame Aktion gegen den Stamm Benjamin als Strafe für seine Bosheit nicht unterstützten (Ri 21:8-12). König Saul führte die Bestimmungen eines Banns, mit dem Amalek und sein König belegt worden waren, nicht vollständig aus mit der Begründung, dass das, was am Leben gelassen worden war, Jehova geopfert werden sollte. Ihm wurde gesagt: „Gehorchen ist besser als Schlachtopfer“, und das Königtum sollte nun einem anderen gegeben werden (1Sa 15:1-23). König Ahab machte sich einer ähnlichen Verfehlung in Bezug auf den Syrer Ben-Hadad II. schuldig (1Kö 20:42). Die Ammoniter und die Moabiter weihten die Bewohner der Berggegend Seir der Vernichtung (2Ch 20:22, 23).
Sakrale Banne kommen auch in einer Anzahl Prophezeiungen vor. Maleachi 4:5, 6 sagt das Werk Elias, des Propheten, voraus, das er „vor dem Kommen des großen und furchteinflößenden Tages Jehovas“ verrichten werde, damit Jehova „nicht komme und die Erde tatsächlich mit dem Vernichtungsbann schlage“. (Vgl. Mat 24:21, 22.) Daniel 11:44 beschreibt, wie der symbolische „König des Nordens“ in großem Grimm auszieht, „um viele zu vertilgen und der Vernichtung zu weihen“. Von Jehova heißt es, er werde wegen seines Zorns „alle Nationen“ der Vernichtung weihen (Jes 34:2; vgl. Off 19:15-21). Von der siegreichen „Tochter Zion“ wird gesagt, sie werde durch einen Bann den ungerechten Gewinn und das Vermögen der feindlichen Völker „dem wahren Herrn der ganzen Erde“ übergeben (Mi 4:13). Es ist vorausgesagt, dass das von allen seinen Feinden befreite Jerusalem bewohnt werden wird und dass es fortan „keinen Bann zur Vernichtung mehr geben“ wird (Sach 14:11; vgl. Off 22:3).
Alle diese Schrifttexte verleihen der göttlichen Erklärung aus 5. Mose 7:9, 10 Nachdruck: „Und du weißt wohl, dass Jehova, dein Gott, der wahre Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die liebende Güte bis auf tausend Generationen hin im Fall derer bewahrt, die ihn lieben, und derer, die seine Gebote halten, aber demjenigen ins Angesicht vergilt, der ihn hasst, indem er ihn vernichtet. Er wird seinem Hasser gegenüber nicht zögern; er wird ihm ins Angesicht vergelten.“ Gottes Sohn, der sein Leben als Lösegeld dahingab, erklärte: „Wer Glauben an den Sohn ausübt, hat ewiges Leben; wer dem Sohn nicht gehorcht, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm“ (Joh 3:36). Die verfluchten „Böcke“ in dem prophetischen Gleichnis in Matthäus 25:31-46 sind eindeutig solche Personen, auf denen der Zorn Gottes bleibt und die daher der ewigen Vernichtung geweiht sind.
In der Septuaginta wird das Wort chérem in der Regel mit dem griechischen Wort anáthema oder anáthēma wiedergegeben. (Siehe FLUCH; GELÜBDE.)