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Luxemburg

Luxemburg

Luxemburg

Mit 2 586 Quadratkilometern und 350 000 Einwohnern gehört Luxemburg zu den kleinsten Ländern der Erde. Es liegt mitten in Europa, zwischen Frankreich, Belgien und Deutschland. Obwohl klein, ist Luxemburg ein unabhängiger und souveräner Staat. Es verfügt über viel Industrie, doch dichte Wälder und eine hügelige Landschaft machen es zu einem lieblichen Land. Erfreulicherweise hat Luxemburg eine Verfassung, in der die freie Religionsausübung, die freie Meinungsäußerung sowie die Vereins- und Korporationsfreiheit garantiert werden.

Luxemburg wurde jahrhundertelang stolz als eine Hochburg der katholischen Kirche bezeichnet. Neben der katholischen Kirche werden heute aber auch die protestantische Kirche sowie die jüdische Gemeinde vom Staat finanziell unterstützt. Trotz der Landesparole des katholischen Luxemburg „Wir wollen bleiben, was wir sind!“ verkündigen heute über 700 Luxemburger wie einst Jesus die gute Botschaft des Wortes Gottes von Haus zu Haus. Wie kam es dazu? Die Antwort darauf finden wir in der neuzeitlichen Geschichte der Zeugen Jehovas.

DIE KÖNIGREICHSBOTSCHAFT ERREICHT LUXEMBURG

Schon in den Jahren 1922 bis 1925 verbreiteten Brüder aus Straßburg (Frankreich) biblische Literatur in Luxemburg. Dieses Werk begann mit der Verbreitung des Traktats Eine Herausforderung und endete mit der Verbreitung des Traktats Offene Anklage gegen die Geistlichkeit. Damals gab es noch keine Zeugen Jehovas in Luxemburg. Doch im Jahre 1929 sandte das Büro der Wachtturm-Gesellschaft in Magdeburg Bruder August Riedmiller als Pionier nach Luxemburg. Als er im Sommer 1930 eine Pionierschwester aus Lothringen heiratete, schloß sie sich ihm im Predigtwerk an. Sie verbreiteten die Bücher Die Harfe Gottes, Befreiung, Schöpfung und Regierung sowie einige Broschüren und die Zeitschrift Das Goldene Zeitalter. Für kurze Zeit arbeitete eine weitere Pionierschwester aus Danzig mit diesem Ehepaar zusammen. Außerdem wurde Bruder Schröder, ein weiterer Pionier, von Magdeburg nach Luxemburg gesandt.

Ein einzigartiges Mittel, die Botschaft den Menschen bekanntzumachen, war das vierteilige Photo-Drama der Schöpfung. Das Büro in Magdeburg sandte Brüder nach Luxemburg, um dieses außergewöhnliche Filmwerk vorzuführen. Die Zuschauer wurden darin mit dem Vorsatz Gottes — von der Schöpfung bis zum Ende der Tausendjahrherrschaft Christi — bekanntgemacht. Im Jahre 1930 wurde das Photo-Drama in der Stadt Luxemburg, in Esch an der Alzette und an vielen anderen Orten gezeigt. Über 300 Personen waren in der Stadt Luxemburg jeden Abend anwesend. Auch in Esch an der Alzette war der Erfolg groß. Viele Leute gaben ihre Adresse ab und wurden dann von Bruder und Schwester Riedmiller besucht.

WIDERSTAND VON KATHOLISCHER SEITE SETZT EIN

Die katholische Kirche, die von jeher die Monopolstellung in Sachen Religion in Luxemburg innehatte, versuchte, das Vordringen der Wahrheit des Wortes Gottes zu unterbinden. Auf ihr Betreiben wurden polizeiliche Verordnungen ins Feld geführt, um die Zuschauer des Photo-Dramas einzuschüchtern und den Eindruck zu erwecken, als sei es eine verbotene Sache. Durch entstellte Berichte in der katholischen Presse wurde dieser Eindruck noch verstärkt.

Dennoch gelang es den Pionieren, die ersten an der Wahrheit des Wortes Gottes interessierten Menschen in Luxemburg zu finden. Sie werteten die Adressen aus, die bei Zusammenkünften für die Öffentlichkeit, die man im Anschluß an das Photo-Drama durchgeführt hatte, abgegeben worden waren. Im Süden war es Fred Gores, der als erster Luxemburger bestrebt war, ein wahrer Fußstapfennachfolger Jesu Christi zu werden. Wie er zu diesem Entschluß kam, berichtet er selbst mit folgenden Worten:

„Bei einem der Vortragsabende lernte ich einen Mann Mitte Dreißig kennen. Wir beide äußerten gegenseitig den Wunsch, anderen Menschen die neugelernten Wahrheiten zu überbringen. Nach einer gemeinsamen Besprechung bei mir zu Hause setzten wir Herrn Riedmiller von unserem Entschluß in Kenntnis. Kurze Zeit danach kam Herr Riedmiller mit einem umfangreichen Quantum Broschüren mit dem Titel Das Königreich — die Hoffnung der Welt, einigen gebundenen Büchern und einer sogenannten Zeugniskarte. Diese Zeugniskarte war, soweit ich mich erinnere, in zwei Sprachen abgefaßt, auf der Vorderseite in Deutsch und in Französisch auf der Rückseite. Auf der Karte war kurz der Zweck des Besuches angegeben mit einem kurzen Zeugnis über das Ende der Welt und die Aussicht auf eine paradiesische Erde.

Eines Tages rafften wir beiden Anfänger, mein Partner und ich, uns auf und gingen in eine Straße, die wir uns ausgewählt hatten, um unseren ersten Versuch zu machen. Niemand hatte uns gezeigt, wie es gemacht wird. Wir hatten auch nie vorher etwas Ähnliches getan. Dennoch waren wir guten Mutes und vertrauten völlig auf Jehova. ,Er wird uns schon helfen‘, sagten wir uns. Und Jehova half uns tatsächlich auf seine eigene Art und Weise. Wir klopften an, grüßten die Leute freundlich und überreichten die Zeugniskarte. Während sie die Karte lasen, öffneten wir den Koffer und zeigten unsere Literatur. Das Sonderbare an unserer Arbeit war, daß wir gleich von Anfang an jeder allein für sich in ein Haus gingen ohne die geringste Furcht, daß uns jemand Fragen stellen würde, die wir vielleicht nicht beantworten könnten. Wir wußten, daß es die Wahrheit war, die wir vertraten. Das machte uns stark und zuversichtlich. Mochte kommen, was da wolle.

Ich kann mich noch gut an das erste Haus erinnern, das ich besuchte. Ein freundlicher Mann fortgeschrittenen Alters mit einer Beinprothese nahm gleich das Buch Schöpfung entgegen und bestellte eine Bibel. Wir unterhielten uns auf freundliche Weise, und ich versprach, ihm so bald wie möglich die Bibel zu bringen. ...

Die Freude, im ersten Haus so gut abgeschnitten zu haben, gab mir den nötigen Antrieb weiterzumachen, obschon sich die Menschen in den nächsten Häusern skeptischer, ja sogar abweisend verhielten. Die Freude sollte auch sowieso nicht von langer Dauer sein, denn im Verlauf kurzer Zeit erschien die Polizei und machte kurzen Prozeß. Sie beschlagnahmte unsere Koffer mit allem Zubehör, nahm ein Protokoll auf und befahl uns, nach Hause zu gehen. Was blieb uns auch anderes übrig? Wir klagten natürlich Herrn Riedmiller unser Leid über diese Erfahrung. Er tröstete uns lediglich damit, daß er uns neue Literatur brachte, und wir kauften uns auch neue Koffer — diesmal aber aus billiger Pappe —, und wir versuchten unser Glück von neuem. Nach und nach wurden wir klüger, und nach mehrmaliger Beschlagnahmung unserer Literatur und Ausrüstung begannen wir, die Literatur in den Manteltaschen zu verstauen und ohne Koffer in den Häusern vorzusprechen. Auf diese Weise konnten wir unauffälliger von Haus zu Haus gehen.“

In der Stadt Luxemburg war es besonders Eugen Reuter, der im Jahre 1931 in dieser Gegend damit begann, die Verkündigung mit Hilfe der Broschüre Das Königreich — die Hoffnung der Welt aufzunehmen. Aber auch er stieß auf Widerstand. Bruder Reuter äußert sich: „Schon öfter waren Bruder Riedmiller und auch die anderen Pioniere bei ihrer Predigttätigkeit von Haus zu Haus wegen Hausierens von der Polizei aufgeschrieben worden. Es war besonders die katholische Geistlichkeit, der die Verkündigung dieser biblischen Wahrheit ein Dorn im Auge war. Wegen der in der Verfassung garantierten Religionsfreiheit konnte unser Predigen nicht behindert werden. Deshalb wurde der Vorwand des Hausierens gebraucht, um die Verkündigung zu unterbinden. Es war ohne Erfolg. Gerade der Widerstand reizte zum Eifer. Obwohl es zu gerichtlichen Verurteilungen, zwischendurch auch zu Freisprüchen kam, nahmen nach und nach mehrere Interessierte einen tätigen Anteil an der Verkündigung. Die von der Polizei vorgebrachten Anklagen lauteten auf Hausieren und Entgegennahme von Bestellungen.

Nach dreijähriger Tätigkeit von Bruder Riedmiller setzte man zum großen Gegenschlag an. Bruder Riedmiller wurde aus Luxemburg ausgewiesen und von Gendarmen an die deutsche Grenze geführt. Unser Rechtsanwalt sagte uns, daß von höchster Stelle aus erklärt worden sei, August Riedmiller sei zum Schutze der katholischen Religion im Lande aus Luxemburg ausgewiesen worden. Nach einigen Monaten wurde auch Schwester Riedmiller von der Polizei nahegelegt, das Land zu verlassen. Der dritte Pionier aus Deutschland verließ einige Zeit später von sich aus das Land, weil seine Ausweisung ebenfalls bevorstand.“

Man hoffte wohl, auf diese Weise das Werk des Predigens zum Stillstand bringen zu können. Doch hatte man nicht damit gerechnet, daß der Same der Wahrheit inzwischen Wurzel gefaßt hatte. Der Tag war gekommen, an dem die ersten Luxemburger im Wasser getauft werden konnten. Am 25. September 1932 wurde in einer privaten Badeanstalt in Esch an der Alzette die erste Taufe vorgenommen. Jetzt war die Grundlage der theokratischen Organisation in Luxemburg gelegt, und nichts sollte mehr das weitere Wachstum behindern können.

AUFSICHT VON DER SCHWEIZ

Im Jahre 1933 wurde das Werk in Deutschland von den Nazis verboten. Es war nun das Büro in Bern in der Schweiz, das sich der Interessen der Brüder in Luxemburg annahm. Von dieser Stelle aus wurden auch die Rechtskämpfe geführt, wurde biblische Unterweisung organisiert, und den Verkündigern in Luxemburg wurde geholfen, sich zu organisieren und geistig zu stärken. In regelmäßigen Abständen wurden Brüder von der Schweiz nach Luxemburg gesandt, um dort als Redner zu dienen. Diese brüderliche Hilfe sollte bald weitere gute Resultate zeigen.

Im Jahre 1934 standen schon 15 Verkündiger im Predigtdienst, die 3 164 Bücher und Broschüren trotz großer Schwierigkeiten und Widerstandes verbreiteten. Um die Ortschaften im Norden des Landes zu erreichen, mußten diese 15 Prediger am Tag oft 120 Kilometer mit dem Fahrrad zurücklegen. Unter großem Kraftaufwand haben sie nach und nach alle Dörfer und Städte des Landes besucht und überall gepredigt.

Mit der zunehmenden Abgabe von Literatur häuften sich ebenfalls die Polizeiprotokolle zusehends. Die Urteile des Friedensgerichts lauteten einmütig: „Schuldig“ wegen Kolportage. Die Brüder legten immer wieder Berufung gegen diese Urteile ein, und so gelangten ihre Fälle vor ein Berufungsgericht und schließlich vor das höchste Gericht des Landes. Selbst von dieser Stelle aus wurde das Urteil der ersten Instanz bestätigt, und man sprach die Zeugen erneut schuldig.

Doch nach und nach konnten diese mutigen Kämpfer sehen, wie die Menschen, denen sie predigten, sich immer mehr in zwei Gruppen teilten. Die eine Gruppe, die meistens unter der Leitung der Geistlichkeit stand, verhielt sich sehr unfreundlich gegenüber diesen Königreichszeugen. Oft wurde man sogar handgreiflich und verwies sie von der Tür. Aufgehetzt von dieser Seite, gingen einige Polizisten so weit, daß sie die Königreichsverkündiger mit den Worten einzuschüchtern suchten: „Wenn Sie jetzt noch ein einziges Buch absetzen, hängen wir Sie an den höchsten Baum.“ Andere Hüter des Gesetzes entschuldigten sich und sagten: „Sie verstehen, wir werden gerufen und müssen lediglich unsere Pflicht tun.“

Im Jahre 1936 wuchs die Zahl der Königreichsverkündiger auf 19 an, die sich auf 3 Versammlungen verteilten. Es war auch in jenem Jahr, daß einige dieser Verkündiger zum erstenmal zu einem größeren Kongreß ins Ausland reisten. Sie kehrten von dort neu gestärkt zurück und nahmen ihre Tätigkeit zu Hause wieder auf. Auf dem Kongreß in Luzern (Schweiz) konnten sie zum erstenmal mit Bruder Rutherford, dem Präsidenten der Watch Tower Society, Kontakt aufnehmen. Wie eindrucksvoll war es für die Brüder, den Mut dieses Streiters Jehovas zu erleben! Bruder Rutherford teilte den Delegierten aus Deutschland mit, daß, wenn sie wieder bei dem „alten Fuchs in seinem Bau“ wären, sie ihm mitteilen sollten, daß Gottes Königreich herrsche und daß keine Macht der Welt imstande wäre, Jehovas König zu stürzen. Dann hob er den Arm wie zum Hitlergruß, rief aber: „Heil Christus!“ Alle diese Erfahrungen und Ansprachen stärkten die Brüder aus Luxemburg sehr. Sie faßten aufs neue Mut, ihre Tätigkeit fortzusetzen.

In jener Zeit ging man mehr und mehr dazu über, außer Zeugniskarten auch tragbare Grammophone zu verwenden und den Menschen biblische Ansprachen vorzuspielen. Die Brüder in Luxemburg waren über diese Methode sehr erfreut, weil sie auf diese Weise von der Behörde aus weniger behindert werden konnten.

DER DEUTSCHE EINMARSCH

Am 10. Mai 1940 wurde Luxemburg durch den Einmarsch der Deutschen überrascht. Ein großer Teil Europas wurde mit einem Schlag mit deutschen Truppen überschwemmt. Es blieb nicht viel Zeit zum Überlegen. In der Stadt Esch an der Alzette wurde behördlicherseits geboten, daß alle Einwohner, mit dem Nötigsten ausgerüstet, sofort die französische Grenze überschreiten sollten.

An jenem Tag hörte die Tätigkeit der meisten Zeugen Jehovas im Lande Luxemburg praktisch auf, und die Verkündiger wurden zerstreut wie eine Herde Schafe ohne Hirten. In den folgenden 5 Jahren wurden die einzelnen Verkündiger schweren Prüfungen ausgesetzt. Die bekanntesten leitenden Brüder wurden von der deutschen Militärpolizei in Schutzhaft genommen, weil sie von im Lande ansässigen Deutschen, die der deutschen Besatzungsmacht als Spitzel dienten, angezeigt worden waren. Nach etlichen Monaten in den Gefängnissen von Luxemburg und Trier wurden sie entlassen, doch man verbot ihnen jegliches Predigen. Aber selbst während dieser schwierigen Kriegsjahre war es möglich, in begrenztem Umfang unterirdisch tätig zu sein und einige neue Jünger zu taufen. Zwei Brüder aus Luxemburg, die verdächtigt wurden, weiterhin gepredigt zu haben, wurden einer besonders harten Prüfung ausgesetzt. Sie kamen als einzige Zeugen Jehovas aus Luxemburg in Konzentrationslager.

GLAUBENSPRÜFUNGEN IM KONZENTRATIONSLAGER

Einer dieser Brüder, Viktor Bruch, gibt folgenden Bericht:

„Im Gefängnis in Trier legte man uns das bekannte Formular zum Unterschreiben vor. Ich sollte durch meine Unterschrift bestätigen, daß ich einer Irrlehre gefolgt sei, daß ich meinem Irrglauben absagen würde, daß ich keine Schriften der Wachtturm-Gesellschaft mehr besäße, daß ich auch keine Schriften mehr verbreiten und jeden anzeigen würde, der je an mich mit Literatur herantreten werde, und daß ich im Falle eines Krieges die deutschen Gesetze anerkennen würde. Die Gestapo suchte uns mit allen Mitteln weichzumachen. Als ich mich hartnäckig weigerte, diese Forderungen anzunehmen, also zu unterschreiben, führte die Gestapo mich am 2. Januar 1941 nach Buchenwald bei Weimar ins Konzentrationslager. Zuerst wurden wir zwei Brüder für drei Monate in die Strafkompanie versetzt, und wir mußten im Steinbruch arbeiten, und dies bei mangelhafter Kost und ungenügender Bettruhe. Eine Episode, die ich nie vergessen kann, ist folgende:

Bei der Ankunft in Buchenwald wurden wir völlig kahlgeschoren, dann nackt über die vereiste Straße ins Bad gejagt, dann wieder über die Straße zur Effektenkammer. An einer langen Theke reichte uns ein Häftling nacheinander unsere Häftlingskleider, angefangen mit der Unterhose. Doch hinter dem ausgebenden Häftling ging mir gegenüber ein anderer in Häftlingskleidern, der mich ansprach und immer wieder fragte, was es draußen Neues gebe. Ich blieb ihm gegenüber stumm. Man hatte uns schon im Gefängnis gesagt, daß die Gestapo oft in Häftlingskleidern im Lager herumspioniere. An dies dachte ich bei seinen Fragen und sagte mir: ,Von mir bekommst du nichts heraus.‘ Als ich mein letztes Kleidungsstück bekommen hatte, sagte er zu mir: ,Du kannst doch ruhig sprechen, ich bin ja genau das, was du bist.‘ Es war tatsächlich Bruder Ernst Hassel aus Saarbrücken. Später verstand ich diese Neugier, denn die Brüder waren ja schon seit 1937 eingesperrt und von der Organisation abgeschnitten. Die Erkenntnis, die man hatte, wurde immer wieder verarbeitet und in Bruchstücken bei den täglichen Betrachtungen an den verschiedenen Tischen ausgetauscht.

Nach mehreren Monaten — es war im Januar 1942 — machte die Lagerleitung bekannt, daß jeder Häftling, der außer dem vom Lager stammenden Pullover noch einen weiteren Pullover hätte, diesen sofort für die Soldaten an der Ostfront abgeben sollte. Da sich die Zeugen Jehovas aber geschlossen weigerten, auch nur ein Taschentuch für Kriegszwecke abzugeben, mußten wir uns alle am 15. Januar 1942 auf dem Appellplatz stundenlang hinstellen. Dann nahm man uns die Pullover weg, und als Strafe mußten wir nachts Arbeit leisten. Bei Scheinwerferlicht mußten wir ein hügeliges Gelände zu einem Sportplatz ebnen, eine schwere Arbeit nach Feierabend, bei hartgefrorenem Boden und 20 Grad Kälte. Unsere Schuhe wurden uns weggenommen, und so mußten wir in Holzschuhen marschieren. Aber selbst in dieser schwierigen Zeit stand Jehova uns bei. Nach nur drei Wochen kamen die ganzen Kleider, die man uns abgenommen hatte, in den Block zurück, gereinigt und geflickt, mit der Bemerkung, es sei ein übereilter Fehlgriff gewesen. Die Leitung in Berlin hätte diese Methode nicht gutgeheißen. ...

Im Frühjahr 1943 wurden wir von unserem Gemeinschaftsblock entfernt und in verschiedene politische Blocks verteilt. Die Lagerleitung glaubte, auf diese Weise den Widerstand der Zeugen Jehovas zu brechen. Doch das Gegenteil geschah. Nun hatten wir besser Gelegenheit, unseren Glauben mit anderen zu teilen.

Im Februar 1944 wurden Handwerker in Lublin gebraucht, und so kam ich dorthin. Auch dort versuchte man, uns zu guten Volksdeutschen zu machen. Wir sollten keine Luxemburger mehr sein, viel weniger Zeugen Jehovas. Als ich mich weigerte, mußte ich wieder in ein Lager. Meine Privatkleider wurden mir vom Leibe gerissen, und ich wurde in ein Nebenlager in Pulawy gebracht. Hier in Pulawy, in einem Sägewerk, erlebten wir schlimme Nächte. Die Häftlinge schliefen mit den Posten zusammen in einer Baracke — nur eine Holzwand war dazwischen. Fast jede Nacht gab es Schießereien zwischen Partisanen und den Posten.

Die Russen rückten näher, und so wurden wir nach Auschwitz weiterdeportiert. In Auschwitz hatten die Brüder und Schwestern, die schon länger da waren, Vertrauensposten. Manche Schwester durfte ohne Bewachung in die Stadt gehen, um Einkäufe für ihre Herrin zu machen. Auf diese Weise konnten die Schwestern viel besser mit den Brüdern außerhalb in Verbindung kommen. Sie hatten damit eine besondere, schwere und gefährliche Arbeit übernommen. Sie mußten ganze Wachtturm-Artikel abschreiben und versuchen, die blauen Schulhefte, in die sie die Artikel schrieben, so vielen wie möglich zukommen zu lassen. Ich erhielt auch einige zum Lesen. An ein Thema erinnere ich mich gut. Es hieß: ,Trost für die Versprengten‘.

Und wieder rückten die Russen näher. Das bedeutete für uns, daß wir erneut in eine andere Gegend versetzt wurden. Es war eine Hetzjagd quer durch Deutschland. Teilweise wurden wir in geschlossene Viehwagen eingepfercht und auf die Reise geschickt. Unsere Kost für diese Reise war ein Brot. Das mußte für drei Tage reichen. Aber auch hier hat uns die Weisheit Jehovas nicht verlassen. Ein Bruder sagte zu uns: ,Wenn die schon sagen, 3 Tage, dann teilen wir unser Brot auf 6 Tage auf.‘ Tatsache war, daß 10 Tage daraus wurden. An den Haltestellen haben wir uns von Wegerich, Gras und allem möglichen ernährt, was am Rande der Gleise wächst, um über die Runden zu kommen und unseren schlimmsten Hunger zu stillen. Am 11. Tag kamen wir dann in Ravensbrück an. Über 1 500 waren in den letzten Tagen an Hunger gestorben. Sobald einer starb, wurde er ans Ende des Waggons gelegt, und schichtweise wurden die Leichen aufeinandergestapelt.

In Notbaracken, durch Stacheldraht von den anderen Insassen des Lagers getrennt, mußten wir uns mit einem halben Liter Dörrgemüsesuppe und einer Scheibe Brot pro Tag begnügen.

Und wiederum waren die Russen diesem Lager bedrohlich nahe gekommen. Das bedeutete für uns abermals Versetzung in ein anderes Gebiet. Tagelange Märsche waren notwendig, um in andere Gebiete zu kommen. Wir Brüder versuchten, immer zusammenzubleiben. So waren es 49 Brüder und 1 Interessierter, die sich zusammenschlossen und gegenseitig ermunterten. Während einer Nacht gab es eine Schießerei, wie ich sie bis dahin noch nie gehört hatte. Als es am Morgen hell wurde, bemerkten wir zu unserem großen Erstaunen, daß die deutschen Posten weg waren. Nachdem wir uns wieder einmal gewaschen hatten — eine Seltenheit seit einigen Wochen —, gingen wir 50 Brüder ins nächste Dorf, um zu sehen, was eigentlich los sei. Was wir hier sahen, war, daß alle öffentlichen Gebäude von Amerikanern besetzt waren.

Zuerst versammelten wir uns auf einer Wiese am Rande des Ortes, und ein Bruder sprach ein Dankgebet zu Jehova für dessen wunderbare Befreiung. Dies war am 3. Mai 1945 in der Nähe von Lübz (Mecklenburg). Wir marschierten dann noch tagelang weiter, bis sich die Brüder nach und nach zerstreuten, um an ihre Heimatorte zu gelangen. Jehova Gott hatte uns geholfen, eine schwierige, prüfungsvolle Zeit zu überleben. Mit seiner Hilfe war dies möglich gewesen.

Am 18. Juni 1945 kam ich dann zu Hause in Esch an der Alzette an. Zu meiner größten Freude und Dankbarkeit habe ich dort meine Frau und meine Kinder wiedergefunden, die nur 2 Tage vor mir nach Hause gekommen waren. Und dies alles, nachdem wir fast 2 Jahre nichts mehr voneinander gehört hatten.

All die schweren Jahre hindurch war der Text aus Sprüche 3:5, 6 für mich eine große Wegleitung. Dort heißt es: ,Vertraue auf Jehova mit deinem ganzen Herzen, und stütze dich nicht auf deinen eigenen Verstand. Beachte ihn auf all deinen Wegen, und er selbst wird deine Pfade gerademachen.‘ “

REORGANISATION NACH DEM KRIEG

Schon kurz vor dem Zweiten Weltkrieg war das Büro in Brüssel mit der Überwachung des Werkes in Luxemburg beauftragt worden. Nun, sofort nach dem Krieg, sandte dieses Büro einen Pionier nach Luxemburg. Es war Bruder Emil Schranz, der erste luxemburgische Vollzeitdiener. Während des Krieges war er in Belgien tätig gewesen. Er suchte nun alle ihm bekannten Brüder auf. Die Versammlungen wurden neu organisiert, und die Tätigkeit begann schnell wiederaufzublühen. Im Jahr 1946 waren schon 30 Verkündiger tätig, bei einer Höchstzahl von 39.

Viele organisatorische Änderungen waren es, die dieses schnelle Aufblühen des Werkes nach dem Kriege bewerkstelligten und begünstigten. Statt mit Zeugniskarten und Grammophonen zu wirken, wurden die Brüder nun durch die Predigtdienstschule ausgerüstet, selbst öffentliche Vorträge zu halten und biblische Zeugnisse an den Türen zu geben. Auch das Heimbibelstudienwerk kam in Gang, was einen gewaltigen Aufschwung in der Tätigkeit zur Folge hatte.

Es galt, jetzt einen weiteren Vorstoß zugunsten des freien Predigens zu unternehmen. Man beschloß, eine gesetzlich eingetragene, nicht Gewinn erstrebende Gesellschaft zu gründen, um die Königreichsinteressen besser wahren zu können. Am 18. Juli 1946 war es dann so weit, daß dieser wichtige Meilenstein in der Geschichte der Zeugen Jehovas in Luxemburg gelegt wurde. Am 23. Oktober wurde im Memorial (Amtsblatt) diese gesetzliche Eintragung veröffentlicht. Damit war ein gesetzlich verankertes Rechtsmittel geschaffen worden, was im Laufe der kommenden Jahre den Brüdern oft zugute kam.

DURCH BRÜDER AUS DEM HAUPTBÜRO IN BROOKLYN ERBAUT

Im Jahre 1947 kam es zu einem weiteren großen Ereignis in der Geschichte der Zeugen Jehovas in Luxemburg. Es fand nämlich die erste Hauptversammlung in Luxemburg selbst statt. Die Brüder F. W. Franz und Grant Suiter dienten den Brüdern mit Rat aus dem Worte Gottes. Es war das erstemal, daß leitende Brüder des Hauptbüros der Gesellschaft in Brooklyn Luxemburg einen Besuch abstatteten. Eine damals noch sehr junge Schwester drückte ihr Empfinden über diese Begebenheit wie folgt aus:

„Ich kann nicht vergessen, daß diese Brüder mit uns in der Küche gegessen haben. Ich habe mir öfter gedacht, daß die Brüder ja bestimmt gewohnt waren, in größeren und schöneren Sälen zu sprechen als bei uns in Luxemburg, wo der Saal neben einer lauten Kegelbahn lag. Aber das hinderte die beiden Brüder nicht, ein gründliches Zeugnis zu geben, und sie haben sich in keiner Weise beklagt. Am Vormittag des 11. Juni 1947 hielt ein Bruder aus Brüssel die Taufansprache, und 6 Brüder wurden getauft; das war für uns ein großartiges Ereignis. Der öffentliche Vortrag, den Bruder Franz am Nachmittag in Deutsch hielt, hatte das Thema ,Freude für alles Volk‘. Er wurde von 123 Anwesenden gehört. Von diesem Jahr an wurden die Brüder ermuntert, weiterhin größere Zusammenkünfte — wie Kreiskongresse — durchzuführen, was sie auch mit Freuden taten.

Die Brüder waren durch das gute Gelingen dieser ersten Hauptversammlung derart gestärkt worden, daß sie freimütig auch die kommenden größeren Versammlungen in den folgenden Jahren mutig organisierten und ankündigten. Diese Ankündigungen gingen folgendermaßen vor sich: Eine Kolonne von 4 bis 6 Mann nahm das Fahrrad, band auf jede Seite ein Plakat, und dann ging es los. Man fuhr durch sämtliche Straßen. Andere Brüder, die mit riesigen Plakaten hinten und vorne ausgestattet waren, gingen in den Straßen auf und ab. Manchmal wurden wir mit Steinen beworfen, jedesmal aber beschimpft.“

Im März 1949 wurden die ersten beiden Gileadabsolventen nach Luxemburg gesandt. Es waren die Brüder Nelson und Cummings. Sie dienten sehr zur Erbauung der Organisation, die noch klein war, und durch ihre Initiative wurde der Straßendienst mit den Zeitschriften aufgenommen. Dies alles trug mehr und mehr dazu bei, Jehovas Königreich bekanntzumachen, denn von seiten der katholischen Kirche war man sehr daran interessiert, das Verkündigungswerk zu unterbinden.

Der Präsident der Gesellschaft, Nathan H. Knorr, war auf dem ersten großen internationalen Nachkriegskongreß in Frankfurt am Main vom 24. bis 26. August 1951 anwesend. Auch Delegierte von Luxemburg nahmen daran teil. Als Bruder Knorr später in Luxemburg Station machte, um zu den Brüdern zu sprechen, schlug dies zu einem großen Zeugnis aus. Die Brüder sprechen heute noch davon. Diesmal war es möglich, einen schönen Saal zu mieten, und die Brüder wollten am Abend vorher noch alles in Ordnung bringen. Aber, o weh! Der Saal war bis zum letzten Moment von anderen Leuten belegt. Deshalb war es notwendig, daß unsere Brüder die Aufbauarbeiten mit großem Einsatz aufnahmen. Man erinnert sich an ein Gespräch zwischen zwei Herren, die im Saal waren. Der eine sagte zum andern: „Ich bin doch gespannt, wie der Präsident dieser Gesellschaft aussieht.“ Ein Verkündiger, der dieses Gespräch mitbekommen hatte, sagte geistesgegenwärtig: „Oh, Sie brauchen gar nicht gespannt zu sein, denn der Präsident steht da vorne auf der Leiter und befestigt gerade mit Hammer und Nägeln einige Tücher.“ Die zwei Männer kamen aus dem Staunen nicht heraus. Welch ein Unterschied gegenüber der gewohnten katholischen Menschenverherrlichung! Am nächsten Tag konnte man Bruder Knorr sehen, wie er in einer Fahrradkolonne durch die Straßen der Hauptstadt radelte, um seinen eigenen Vortrag durch Plakate bekanntzumachen. Wie gut und wohltuend war es doch zu sehen, daß er das, was von der Bühne gesagt worden war, selbst tat!

Dieser kurze Aufenthalt Bruder Knorrs wirkte sich sehr zum Segen des Werkes und der besonderen Veranstaltung aus. Mit 205 Anwesenden bei diesem Vortrag war dies die bis dahin größte in Luxemburg durchgeführte theokratische Veranstaltung. All diese Begebenheiten trugen zur inneren Stärkung der Organisation bei, und noch im gleichen Jahr stieg die Zahl der Verkündiger das erstemal auf über 100 an — 113 Verkündiger waren im Predigtdienst tätig.

KEINE HAUSIERER, SONDERN PREDIGER

Die Jahre 1952 und 1953 brachten nochmals große Gerichtsprozesse für unsere Organisation. Einige Verkündiger, darunter Minderjährige, wurden in Fischbach von der Polizei in ihrer Predigttätigkeit angehalten, und der Fall wurde zu Protokoll genommen. Man klagte sie an, das Hausierergesetz verletzt zu haben. Als es zur Verhandlung kam, verteidigte sich eine junge Verkündigerin vor 3 Richtern so gut, daß sie freigesprochen wurde. Was geschah aber mit den erwachsenen Verkündigern? Da sie älter waren, wurden sie während des gleichen Prozesses für schuldig befunden.

Diese unterschiedliche Beurteilung sollte dazu führen, daß im darauffolgenden Jahr, 1953, eine große Wendung für Gottes Volk eintrat. In der Berufungsverhandlung in Luxemburg führte unser Rechtsanwalt den Richtern deutlich vor Augen, es sei unverständlich, daß das Gericht in Mersch einen Teil der Gruppe freispreche, während der andere Teil, der das gleiche getan hätte, für schuldig befunden werde. Diese Unlogik im Gerichtsfall veranlaßte selbst den Staatsanwalt, sich für uns vor Gericht zu verwenden. Er selbst zeigte dem Hohen Gericht, daß man bei unserer Tätigkeit nicht von Verkauf sprechen könne, denn der Begriff „Verkauf“ schließe einen finanziellen Gewinn ein, von dem der Verkäufer lebe. Das sei bei Zeugen Jehovas nicht der Fall, seien sie alt oder jung, argumentierte der Staatsanwalt. Und wie war der Ausgang diesmal? In seiner öffentlichen Sitzung vom 26. März 1953 fällte der Obergerichtshof nach eingehender Beratung folgendes Urteil:

„Die neueste luxemburgische Jurisprudenz entscheidet, daß die Handlungen der beiden Appellanten weder einen Verkauf noch ein Anbieten zum Verkauf oder eine Aufnahme von Bestellungen darstellen, und demnach stellen sie keine Übertretung des Gesetzes vom 1. 1. 1850 über das Hausieren dar.“ Aus diesen Gründen sei das erste Urteil zu revidieren, und die beiden Angeklagten seien freizusprechen.

Die meisten Polizeibeamten respektierten dieses Urteil, so daß es zu keiner weiteren Gerichtsverhandlung mehr kam. Die Brüder sind Gott dankbar, daß sein Volk heute in Luxemburg freie Religionsausübung genießt.

Es war ebenfalls im Jahre 1952, daß die Stadtverwaltung in der Hauptstadt den Zeugen Jehovas den städtischen Festsaal im Cerclegebäude am Paradeplatz zur Verfügung stellte. Dies war für viele ein Anlaß zu großem Staunen, denn bis dahin waren hauptsächlich nur die Katholiken gewohnt, dafür die Genehmigung zu erhalten. Von da an wurde die Einstellung der Behörden gegenüber Jehovas Zeugen immer besser und toleranter.

GRÜNDUNG DES ZWEIGBÜROS

Das Jahr 1955 stellte einen weiteren Meilenstein in der Festigung der inneren Organisation dar. Bruder Knorr beschloß nach einem Durchgangsbesuch in Luxemburg im Herbst jenes Jahres, ein neues Zweigbüro der Watch Tower Society in Luxemburg zu eröffnen. Das Land sollte also nicht länger dem belgischen Zweigbüro unterstehen. Diese Änderung drückte sich in einer vermehrten Tätigkeit aus. Bis zum Dienstjahr 1957 konnten bereits 6 Versammlungen gegründet werden, und eine Verkündiger-Höchstzahl von 230 wurde im selben Jahr erreicht. Die Zeitschriftenverbreitung stieg von 16 157 im Jahre 1955 auf 47 174 im Jahre 1956.

Wenn man in einem so kleinen Land wie Luxemburg lebt, denkt man meistens in anderen Größenordnungen. Deshalb ist es auch verständlich, daß die 16 Delegierten aus Luxemburg auf dem internationalen Kongreß in New York 1958 staunten, als sie sahen, wie groß die Organisation wirklich ist. Im Glauben gestärkt, kamen sie nach Hause und hatten ihren Mitverkündigern allerhand zu erzählen.

Bruder Knorr besuchte Luxemburg im Jahre 1960 wieder. Die Stadt Luxemburg gab Jehovas Zeugen die Erlaubnis, das Stadttheater zu benutzen, und 502 Personen wohnten dem öffentlichen Vortrag am 14. Juli bei. All dies sowie der Glaube und die Geduld der ansässigen Zeugen Jehovas hatten bewirkt, daß 1961 die Zahl der Verkündiger auf 303 anstieg.

Im folgenden Jahr wurden 11 Brüder aus Luxemburg zur Königreichsdienstschule nach Wiesbaden eingeladen. Dies trug sehr zu ihrer Schulung bei, was wiederum zum Fortschritt der Organisation beitrug. Nachdem sie in ihre Heimatversammlung zurückgekehrt waren, konnten sie sich noch besser der Königreichsinteressen annehmen.

DAS PREDIGTWERK WIRD IN VERSCHIEDENEN SPRACHEN DURCHGEFÜHRT

Obwohl Luxemburg ein kleines Land ist, wohnen hier Menschen aus mehr als 30 Nationen zusammen. Wenn die Königreichsverkündiger von Haus zu Haus gehen, ist es nichts Überraschendes, Menschen anzutreffen, die eine andere Sprache sprechen. So hat man versucht, die Königreichsinteressen unter den verschiedenen Sprachgruppen zu fördern. Durch geduldige, intensive Besuche gelang es schließlich im November 1963, in der Stadt Luxemburg eine italienische Versammlung mit 12 Verkündigern zu gründen. In Zusammenarbeit mit dem Zweig der Gesellschaft in Belgien war es möglich, im November 1967 zum erstenmal einen Kreiskongreß in italienischer Sprache in Luxemburg durchzuführen, an dem 342 Personen teilnahmen.

In diesem Zusammenhang ist es interessant zu erwähnen, daß in Luxemburg die offizielle Amtssprache Französisch ist. Die Menschen selbst sprechen ihren eigenen Dialekt, das Moselfränkische, auch Letzeburgisch genannt, das mit Wörtern der Nachbarländer durchsetzt ist.

Im Nachbarland Belgien, wo großenteils Französisch gesprochen wird, gibt es ein kleines Gebiet, bestehend aus vielen Dörfern und Städten, in denen Menschen wohnen, die noch die deutsche Sprache sprechen. Einige Verkündiger waren unter ihnen tätig, doch ihnen mußte die Botschaft noch mehr in ihrer eigenen Sprache gepredigt werden. Im Frühjahr 1965 wurde entschieden, daß diese Menschen ebenfalls vom Zweig Luxemburg aus betreut werden sollten. Im Oktober dieses Jahres gab es im deutschsprachigen Raum von Eupen eine Versammlung mit 22 Verkündigern. Im Mai 1970 war es möglich, mit Unterstützung der Brüder von Luxemburg den ersten Kreiskongreß in diesem Raum durchzuführen.

Diese schönen Fortschritte bis dahin gefielen jedoch dem Widersacher Gottes, Satan, dem Teufel, nicht. Auch er war auf vielerlei Weise tätig. Das Jahr 1965 war für die Brüder ein besonders prüfungsreiches Jahr. Es war schon zu allen Zeiten Satans Taktik gewesen, Mißverständnisse, Streitigkeiten und anderweitige Probleme unter den Brüdern hervorzurufen. Dies traf im Jahre 1965 vermehrt auf die Brüder zu. Daher wurden einige organisatorische Änderungen getroffen, und Anton Letonja diente vorübergehend für einige Monate als Zweigaufseher. Dann wurde Albert Steimann nach Luxemburg geschickt und zum Zweig- und Bezirksaufseher ernannt. Die meisten Brüder blieben während dieser Zeit der Prüfungen standhaft. Viele verstanden den Text aus Psalm 127:1 noch besser, wo es heißt: „Wenn Jehova selbst das Haus nicht baut, so ist es umsonst, daß seine Bauleute hart daran gearbeitet haben.“ Jehovas Organisation muß rein erhalten werden. Ein Sonderpionier, der lange Jahre in Luxemburg gedient hat, äußerte sich über jene Zeit wie folgt: „Das ganze Land fing wieder an, Knospen zu treiben.“ Geistiges Wachstum wurde wieder sichtbar. Das Jahr 1965 wurde mit einem großen Ereignis gekrönt, mit dem ersten internationalen Kongreß, bei dem sich 3 835 Delegierte zu einem Festmahl zusammenfanden.

Am 5. Juni 1968 veranlaßte Bruder Knorr, daß die Gesellschaft ein Haus kaufte, das in einer sehr schönen Gegend der Hauptstadt liegt und als Zweigbüro und Missionarheim dienen sollte. Dieses Haus hat bis jetzt sehr zum Zeugnis und weiteren Fortschritt des Werkes gedient. Ein Teil wurde zu einem sehr schönen, einladenden Königreichssaal umgebaut. Angeregt durch dieses Bauprojekt, haben sich seither weitere Versammlungen ernsthaft mit dem Gedanken getragen, einen eigenen Königreichssaal zu errichten.

RELIGIÖSER GEGENSATZ

Während die katholische Kirche an Macht und Einfluß sehr verloren hat, konnten auf der anderen Seite geistiges Wachstum, Fortschritt und Segen in den Reihen der Anbeter Jehovas verzeichnet werden. Die meisten Menschen, bei denen sie vorsprechen, sind zwar höflich, zeigen aber kein großes Interesse für Gottes Wort. Dies ist nicht verwunderlich, da die Echtheit der Bibel selbst in den Reihen der Geistlichkeit angezweifelt wird. Ein Geistlicher in der Stadt Luxemburg sagte über die Bibel, sie sei auch nur ein Buch, das Menschen geschrieben hätten, die an ihrer religiösen Meinung festhielten. Angesichts dessen ist man nicht erstaunt, daß der Kirchenbesuch zurückgeht.

Im Gegensatz dazu treten die Verkündiger der Königreichsbotschaft für die Bibel ein. Sie haben gezeigt, daß es ihr Wunsch ist, einen größeren Anteil am Dienst Jehovas zu haben. Im Monat Juni 1975 beispielsweise wurde eine Höchstzahl von 790 Königreichsverkündigern in Luxemburg erreicht.

Im Jahre 1958 kam ein Beamter der Regierung ins Zweigbüro der Gesellschaft, der über den Fortschritt der Zeugen Jehovas erstaunt war. Er brachte zum Ausdruck, daß Jehovas Zeugen nun eine der größeren Religionen in Luxemburg seien, und regte an, ein Gesuch an die Regierung zu richten, damit diese das Werk finanziell unterstütze. Die Brüder haben das natürlich nicht getan, denn sie vertrauen auf Jehova, dem „das Getier auf tausend Bergen“ gehört sowie „das ertragfähige Land und seine Fülle“ (Ps. 50:10, 12). Daß Gott ihnen Mehrung schenkt, ist daraus ersichtlich, daß 1 519 Personen der Feier des Abendmahls am 27. März 1975 beiwohnten. Wie viele von diesen Menschen und wie viele weitere sich ihnen im Dienst für Jehova noch anschließen werden, wissen wir nicht. Doch eines wissen wir, nämlich daß sie entschlossen sind, die gute Botschaft in Luxemburg weiterhin zu predigen, bis das Werk getan ist. Der Dank und der Ruhm für das unaussprechliche Vorrecht und den reichen Segen, dessen sie sich erfreuen, gebührt Jehova, ihrem liebevollen himmlischen Vater.