Israel und Jordanien
Israel und Jordanien
Das Land der heutigen Staaten Israel und Jordanien ist für Jehovas Zeugen von besonderem Interesse, denn hier lebten die meisten der Menschen, von denen die Bibel berichtet, und hier trugen sich die Ereignisse zu, in die sie verwickelt waren. Unser Interesse beschränkt sich jedoch nicht auf das, was Dienern Jehovas widerfuhr, die dieses Land in alter Zeit bewohnten. Wir sind auch an der Tätigkeit der Zeugen Jehovas der Neuzeit interessiert. Was ist mit diesem Land und seinen Menschen in all den Jahrhunderten nach dem Wirken Jesu Christi und seiner Apostel geschehen?
Zur Zeit Jesu und danach stand das Land unter römischer Herrschaft und wurde Palästina * genannt. Wegen der Konflikte mit den Römern flohen die meisten Juden Anfang des 2. Jahrhunderts aus dem Land. Bis in das 7. Jahrhundert hinein gehörte es zum römischen Weltreich, und die Mehrheit seiner Bewohner bekannte sich damals zum Christentum. Dann eroberten die Araber Palästina, wodurch es unter islamische Herrschaft kam.
Beginnend mit dem Jahre 1096, organisierten sogenannte Christen in Europa Kreuzzüge in der Absicht, das Land den „Ungläubigen“ zu entreißen. Auf dem ersten Kreuzzug wurde im Jahre 1099 Jerusalem erobert. Doch im Jahre 1187 nahmen die Moslems unter Saladin den „Christen“ die Stadt wieder ab. Es folgten weitere Kreuzzüge, in deren Verlauf das Land mit dem Blute Tausender und aber Tausender getränkt wurde, die während des Streits zwischen Moslems und angeblichen Christen um die Herrschaft über Palästina ungeheuren Grausamkeiten zum Opfer fielen.
Im Jahre 1517 fiel Palästina an die osmanischen Türken, die es 400 Jahre beherrschten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzte die Einwanderung europäischer Juden ein. Im Jahre 1914 waren von den nahezu 700 000 Bewohnern Palästinas ungefähr 85 000 Juden. Während des Ersten Weltkriegs besiegten die britischen Streitkräfte unter General Allenby 1917 die Türken und beendeten damit deren lange Herrschaft über Palästina.
In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg entstand auf der Ostseite des Jordan ein neuer Staat: das Haschemitenemirat Transjordanien, heute als das Haschemitische Königreich Jordanien bekannt. Der größte Teil Palästinas stand indes unter britischem Mandat. Am 14. Mai 1948 wurde jedoch der neue Staat Israel ausgerufen, und schon am nächsten Tag brach Krieg zwischen Israel und den benachbarten arabischen Staaten aus. Durch diesen Krieg gelangte der größte Teil Palästinas westlich des Jordan unter israelische Herrschaft, wenngleich 5 607 km2 dieses Gebiets Jordanien zugestanden wurden.
Der Zustrom von Juden aus allen Teilen der Welt hielt an. Bis zum Jahre 1951 waren in Israel über 600 000 eingetroffen. Anfang der 1970er Jahre machten über 3 Millionen Juden die Mehrheit der Bevölkerung Israels aus. Was nur wenige Jahre zuvor ein unterbevölkerter und vernachlässigter Fleck Erde war, hat sich jetzt in ein gut entwickeltes, sehr fruchtbares Land verwandelt.
Großstädte und verschiedene Industrien haben aus Israel zwar ein modernes Gemeinwesen gemacht, doch außerhalb der modernen Städte sind immer noch Zeugen aus alter Zeit vorhanden. In den Dörfern bieten sich Anblicke wie in biblischen Zeiten: Die Frauen tragen Wasserkrüge und Waren auf dem Kopf, mit dem Esel werden Erzeugnisse auf den Markt gebracht, man handelt mit Kamelen und schert das Haar schwarzer Ziegen. Ochsengespanne dreschen das Getreide oder ziehen einen
primitiven Pflug. Es ist ein Land der Gegensätze, indem sich das Alte mit dem Neuen und der Osten mit dem Westen trifft.Der orthodoxe Judaismus hat sich wieder durchgesetzt und beherrscht weitgehend das Leben im neuzeitlichen Staat Israel, so wie es auch in den Tagen Jesu der Fall war. Er macht seinen Einfluß durch die religiösen Führer und durch die Mitsprache in der Koalitionsregierung geltend. Aber auch Gottes wahre Zeugen sind in der Neuzeit in diesem Land wieder aufgetreten. Wie begann ihre Tätigkeit? Welche Ergebnisse hatte sie?
ES BEGANN IN RAM ALLAH
Charles T. Russell, der erste Präsident der Watch Tower Society, besuchte im Jahre 1891 auf einer längeren Weltreise auch Palästina. Der erste Same der biblischen Wahrheit, der in diesem Land Wurzel faßte, wurde aber anscheinend erst im Jahre 1913 gesät. In jenem Jahr vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs zog ein junger Mann, der an der Wahrheit interessiert war, von New York nach Ram Allah, wo seine Familie zu Hause war, einer Stadt, die 13 km nördlich von Jerusalem liegt. Ganz in der Nähe befinden sich die Überreste der alten Stadt Bethel, einer der Städte, die am häufigsten in der Bibel erwähnt werden.
Bevor dieser junge Mann, Hanna Hechmi, die Vereinigten Staaten verließ, wies man ihn interessanterweise warnend darauf hin, daß ein Krieg zu erwarten sei und daß er sich in Schwierigkeiten begebe. Tatsächlich brach im darauffolgenden Jahr der Erste Weltkrieg aus, und die türkische Regierung, unter deren Herrschaft das Gebiet damals stand, zog sogleich junge Männer ein. Hamla setzte sich von Haifa aus mit einem Schiff fluchtartig ab und ging wieder nach New York. Doch er ließ in der Wohnung der Familie Kadura in Ram Allah einen vollständigen Satz der Schriftstudien zurück.
Nach dem Krieg zogen sechs junge arabische Zeugen, die mit der Versammlung in Brooklyn (New York, USA) verbunden gewesen waren, in ihre Heimatstadt Ram Allah zurück. So kam es, daß dort im Jahre 1920 eine Versammlung gegründet wurde. In jenem Jahr stattete Joseph F. Rutherford, der zweite Präsident der Gesellschaft, dort einen Besuch ab. Es wurde ein Zweigbüro eröffnet, und Bruder Rutherford hielt in der vollbesetzten Stadthalle von Ram Allah mehrere Vorträge. Er sprach auch zu einer größeren Menge in Jerusalem.
Zunächst führten die jungen arabischen Zeugen keinen organisierten Haus-zu-Haus-Dienst durch. Doch sie gaben auf andere Weise eifrig Zeugnis; sie besuchten Freunde und Bekannte und sprachen in den Cafés mit Männern, die sich dort über die Tagesereignisse unterhielten. Schließlich stießen sie auf die Familie Kadura. Sie ermunterten den Vater, die Bücher zu lesen, die der junge Hanna zurückgelassen hatte, als er in die Vereinigten Staaten gegangen war. Herr Kadura wurde ein eifriger Bruder und konnte schließlich auch Herrn Saah, einen seiner Verwandten, für die Wahrheit gewinnen. Vier Enkelinnen von Bruder Saah nahmen später den Vollzeitdienst als Pioniere auf, und auch andere seiner Angehörigen wurden Zeugen.
Awwad Faramand, ein Nachbar von Bruder Kadura, nahm ebenfalls die Wahrheit an und verrichtete zusammen mit seiner Frau viele Jahre treuen Dienst für Gottes Königreich. In ihrer Wohnung fanden viele Jahre lang die Zusammenkünfte der Versammlung statt, und ihre Tochter diente als Sonderpionier. Anfang der 20er Jahre bestand die Versammlung in Ram Allah aus 12 Verkündigern — alles Männer.
Von Ram Allah aus organisierte die kleine Gruppe von Brüdern Zeugnisfeldzüge in Nachbargebieten. Sie gingen nach Jerusalem, Nazareth, Haifa und in viele
andere Orte und predigten die Wahrheit in derselben Gegend, in der auch Jesus und seine Apostel in alter Zeit gewirkt hatten. Da ihnen sehr wenig biblische Schriften in Arabisch zur Verfügung standen, ergriffen die Brüder selbst die Initiative und gaben ein Traktat in Arabisch heraus, das die Grundlehren der Bibel erläuterte. Später wurden sie darauf hingewiesen, daß vor einer solchen Veröffentlichung die Genehmigung des Hauptbüros in Brooklyn eingeholt werden sollte. Die Verbreitung des Traktats trug indes Früchte.In Haifa gelangte ein Exemplar in die Hände eines Interessierten aus Beirut (Libanon), der in Haifa zu Besuch weilte. Dieser Mann schrieb an die Brüder in Ram Allah, und man sorgte dafür, daß sein Interesse durch Bruder Michel Aboud in Libanon weiter gepflegt werden konnte. Auf diese Weise waren die tatkräftigen Bemühungen der Brüder, ihren Glauben zu verbreiten, von Erfolg gekrönt.
Das einzige arabische Lehrbuch, das jene Zeugen damals hatten, war das Buch Der göttliche Plan der Zeitalter. Doch in jenen Jahren wurde das von der Watch Tower Society geschaffene „Photo Drama der Schöpfung“ — eine Kombination von Filmen, Lichtbildern und Schallplatten — mit arabischem Text einer großen Zuhörerschaft in Palästina vorgeführt. Einige Brüder aus New York brachten die Ausrüstung in den Nahen Osten, wo guter Gebrauch davon gemacht wurde. Die arabische Übersetzung des Buches Das Photo-Drama der Schöpfung in Wort und Bild konnte überall im Land abgegeben werden.
Es war damals schwierig, außer Landes zu reisen. Dennoch fuhren Brüder von Ram Allah gelegentlich nach Beirut und Tripoli in Libanon, um dort Kongressen beizuwohnen und Gemeinschaft mit anderen Zeugen zu pflegen.
Ab 1924 erschien die Zeitschrift Der Wachtturm in Arabisch und wurde in den Versammlungszusammenkünften, die in Privatwohnungen abgehalten wurden, studiert. Während des Zweiten Weltkriegs riß die Belieferung ab, doch die Zusammenkünfte fanden weiterhin statt. Man verwendete bereits vorhandene Veröffentlichungen.
AUCH IN HAIFA FUSS GEFASST
Sieht man sich eine Karte von Israel an, so fällt einen der Gebirgszug des Karmels auf, der in das Mittelländische Meer vorspringt und eine auffallende Unterbrechung in der sonst ziemlich gerade verlaufenden Küstenlinie bildet. Und genau da liegt Haifa. Die Brüder in Ram Allah wußten nichts davon, daß hier bereits Mitte der 1930er Jahre eine kleine Gruppe entstanden war. Sie war das Ergebnis der Zeugnistätigkeit von Bruder David Farjini, der aufgrund seiner Arbeit bei einer Eisenbahngesellschaft vorübergehend von Ägypten nach Haifa versetzt worden war.
David mietete in Haifa ein Zimmer bei Ibrahim Shehadi, einem hundertprozentigen Katholiken, Natürlich kam man auf die Religion zu sprechen, und Bruder Farjini beeilte sich, bestimmte Lehren und Bräuche der Kirche als falsch bloßzustellen. Die erste Unterhaltung war so interessant, daß Ibrahim entgegen seiner Gewohnheit nicht zum Gottesdienst in die Kirche ging. Er nahm Literatur in Arabisch entgegen und las darin. Von da an fanden täglich biblische Unterhaltungen statt, und Ibrahim las jeden Tag bis Mitternacht in der Bibel.
Der erste, mit dem Ibrahim über seinen neugefundenen Glauben sprach, war sein Bruder Atallah. Dieser zögerte zwar, sich damit zu befassen, weil er sehr an der religiösen Überlieferung hing, doch schließlich prüfte er die Sache. Atallah sah schlecht; daher erstand er eine Großdruckbibel — nebenbei bemerkt, zu einem Spottpreis — und prüfte dann alles persönlich nach, was ihm sein Bruder erzählt hatte. Er erkannte, daß es die Wahrheit war. Besonders beeindruckt war Atallah von Matthäus, Kapitel 23, als er feststellte, daß das, was dort stand, auf die Geistlichen zutraf, die er kannte.
Nachdem David Farjini seine Arbeit in Haifa abgeschlossen hatte, kehrte er wieder nach Ägypten zurück.
Ibrahim und Atallah waren jetzt auf sich allein gestellt. Der nun entstehende Druck und der Widerstand waren teilweise darauf zurückzuführen, daß sie freimütig Kritik an der Kirche übten. Ibrahim fuhr Petroleum aus. Überall dort, wo er in einer Wohnung Heiligenbilder oder dergleichen sah, vermerkte er eine Bibelstelle darauf. Er sagte dann der Frau des Hauses, ihr Mann solle den Text nachschlagen, wenn er von der Arbeit nach Hause komme. Die Brüder gingen auch mit ihren eigenen Familienangehörigen nicht sehr taktvoll um. Das alles trug zu der Feindschaft bei, der sie begegneten.Atallah kam zum Beispiel eines Tages mit einem Hammer nach Hause und zertrümmerte jede Statue und jedes Bild, das ihm zu Gesicht kam. Er tat das ohne Erklärung oder Vorwarnung, sehr zur Bestürzung seiner Frau und seiner Kinder, die das Geschehen völlig sprachlos verfolgten, Einige seiner Kinder kamen indes später zur Wahrheit, und heute sind sogar einige seiner Enkel tätige Zeugen Jehovas.
Als Ibrahims Tochter in der Kirche gefirmt werden sollte, nahm er das besondere Kleid, das für sie angefertigt worden war, und versteckte es auf dem Dach des Hauses. Man berichtete es den Nonnen, dem Priester und sogar dem Bischof. So rief am darauffolgenden Sonntag morgen der Bischof zum Boykott gegen Ibrahim auf. Aus Furcht, daß man gegen die ganze Familie gewalttätig vorgehen könne, setzte sich ein Bruder Ibrahims beim Bischof dafür ein, den Boykottaufruf rückgängig zu machen.
„Wenn er meinen Ring und das Kreuz küßt, werde ich den Aufruf rückgängig machen“, antwortete der Bischof.
Ibrahims Antwort lautete: „Einverstanden, wenn er über diese Dinge anhand der Bibel mit sich reden läßt.“
Aber davon wollte der Bischof nichts wissen. „Ich bin ein Bischof!“ war seine Entgegnung.
Der Boykott traf Ibrahim hart, da alle katholischen Kunden kein Petroleum mehr von ihm kauften. Man bemühte sich auch, die einheimische Moslembevölkerung gegen ihn aufzuhetzen. Eine zornige Gruppe Muselmänner beschuldigte Ibrahim einmal, Mohammed geflucht zu haben, und drohte, ihn auf der Stelle umzubringen. Sie sagten, sie wüßten es von den „Christen“.
„Sie haben euch angelogen“, erklärte Ibrahim. „Ich habe ihnen vorgehalten, daß sie Heiligenbilder verwenden und an eine Dreieinigkeit glauben. Deshalb haben sie euch eine Lüge erzählt, damit ihr mir Schwierigkeiten bereitet.“ So rettete Ibrahims Glaube an e i n e n Gott ihm das Leben.
Aufgrund des bischöflichen Boykottaufrufs sprach niemand mehr mit Ibrahim und Atallah, was noch mehr die Aufmerksamkeit auf ihren neuen Glauben lenkte. Im Laufe der Zeit wurden fast alle Glieder der großen Familie Ibrahims Zeugen Jehovas, und in den letzten Jahren standen drei seiner Kinder im Pionierdienst.
Anfang der 1940er Jahre hielt die kleine Gruppe von drei oder vier Personen in Haifa in der einen oder anderen Wohnung Zusammenkünfte ab. Auf diese Weise setzte diese winzige Gruppe während des ganzen Zweiten Weltkriegs das Studium fort und predigte begeistert ihren Mitmenschen. Gelegentlich wurden sie von Brüdern aus Beirut besucht. So erhielten sie Nachschub an Literatur und praktische Unterweisung hinsichtlich der Durchführung des Predigtdienstes. Nach dem Zweiten Weltkrieg bezogen sie ihre Literatur direkt aus Brooklyn.
Bald nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte Joseph Abdennour von Kuba, wo er ein Zeuge Jehovas geworden war, nach Haifa zurück. Da er über größere Erfahrung in bezug auf Versammlungsangelegenheiten verfügte, war er für die kleine Gruppe wirklich eine Hilfe. Später zog Joseph aus geschäftlichen Gründen
nach Nablus, dem Ort, wo einst die biblische Stadt Sichem lag. Dort blieb er als alleinstehender Verkündiger bis zu seinem Tod im Jahre 1968.Es war kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als die kleine Gruppe von 5 oder 6 Zeugen eines Abends während der Zusammenkunft unten auf der Straße plötzlich eine arabische Stimme hörte, die unverkennbar über eine Botschaft aus der Bibel sprach. Wer konnte das sein? Man sah nach und fand zwei Zeugen vor, die aus Rußland eingewandert waren. Sie hatten einen Phonographen bei sich sowie einige Schallplatten in Arabisch und waren dabei, der arabisch sprechenden Bevölkerung in ihrem neuen Land zu predigen. Unwissentlich hatten sich diese Brüder für eine Häuserecke in der unmittelbaren
Nähe des Ortes entschieden, an dem die Zusammenkünfte stattfanden, und hatten auch zu der Zeit, als die Zusammenkunft lief, mit dem Abspielen der Schallplatten begonnen. Sie wurden von der kleinen Versammlung herzlich willkommen geheißen.DIE BOTSCHAFT GELANGT NACH TARSCHIHA
Man schrieb das Jahr 1931. Ort der Handlung: das palästinensische Dorf Tarschiha, ungefähr 40 km nördlich von Haifa, unmittelbar südlich der libanesischen Grenze. Professor Khalil Kobrossi, ein treuer Katholik, war von der Regierung beauftragt worden, in einer Schule dieses Dorfes Arabisch zu lehren und katholischen Religionsunterricht zu erteilen. Bei seiner Ankunft stellte er fest, daß man eine Bibel ausgelegt hatte, damit die Schüler darin lesen konnten. Er tauschte sie sogleich gegen einen katholischen Katechismus, weil er dachte, davon hätten die Schüler viel mehr.
Schließlich gelangte Professor Kobrossi in den Besitz des Buches Der göttliche Plan der Zeitalter. Beim Lesen dieses Buches wurde er über die Herausgeber zornig, weil sie seiner Meinung nach eine ungehobelte Sprache gegen den Katholizismus führten. Später besorgte er sich viele Veröffentlichungen der Gesellschaft und las einige davon mehrmals. Welche Absicht verfolgte er damit? Eines Tages würde er mit diesen Leuten in Berührung kommen und sie über ihren Irrtum aufklären.
Aus einem von der Gesellschaft veröffentlichten Traktat erfuhr Professor Kobrossi die Anschrift der Zeugen in Tripoli (Libanon). Er schrieb seinen lange geplanten Brief, mit dem er den Brüdern gewissermaßen „so richtig seine Meinung sagte“. Zu seinem Erstaunen erhielt er als Antwort einen freundlichen Brief mit vielen Bibelzitaten. Das war der Beginn eines umfangreichen Briefwechsels mit den Brüdern in Libanon.
Im Jahre 1937 besuchten zwei Brüder aus Libanon zusammen mit Bruder Ibrahim Shehadi aus Haifa Professor Kobrossi. Als ihn die Brüder wieder verließen, war er völlig davon überzeugt, daß er die Wahrheit gefunden hatte. Bald belehrte er auch seine Frau und sprach mit vielen Freunden über die Wahrheit. Im Jahre 1939 ließ er sich in Tripoli taufen.
Nun begann für Bruder Khalil Kobrossi ernster Widerstand. Es wurden mindestens drei Mordanschläge auf ihn verübt, die in der Öffentlichkeit bekannt wurden. Khalil sagte selbst: „Wäre es nicht zu diesem Widerstand gekommen, so wäre ich nicht so bekannt geworden und hätte nicht so viele Gelegenheiten gehabt, mit Personen über die gute Botschaft zu sprechen, deren Neugier erregt worden war oder die mir aufgrund ihres Gerechtigkeitsempfindens ihre Sympathie bekundeten.“
Durch den Briefwechsel mit den Brüdern in Haifa und in Libanon wurde Khalil während der prüfungsreichen Zeit, in der er in einem abgelegenen Gebiet auf sich allein gestellt war, ermuntert. Sein Predigen in Tarschiha trug einige Früchte, zumindest vorübergehend, als zwei oder drei weitere Personen mit ihm studierten und für ihn Partei ergriffen. Doch schließlich machte der Bischof seinen Einfluß bei den Erziehungsbehörden dahin gehend geltend, daß Khalil von Tarschiha nach der weit im Süden gelegenen moslemischen Stadt Hebron versetzt wurde. Das geschah im Jahre 1940.
EIN ZENTRUM IN BEIT JALA
In Hebron sprach Bruder Kobrossi mit Lehrerkollegen über seinen Glauben. Zwei Jahre später, im Jahre 1942, wurde er wieder versetzt, diesmal nach Beit Jala, einem kleinen Ort, der an Bethlehem grenzt. Er liegt nur 6 bis 8 km südlich von Jerusalem. In Beit Jala boten sich ihm mehr Gelegenheiten zum Predigen, da sich die
Mehrheit der Bevölkerung zum Christentum bekennt. Bald wurde in diesem Gebiet eine Versammlung gegründet, die heute noch besteht.Der erste, der hier nach mehreren Unterhaltungen die Wahrheit annahm, war ein junger Mann namens Salameh Assoussah. Auch einer seiner Freunde wohnte dem Studium bei. Salameh ließ sich auf einem Kongreß in Tripoli (Libanon) taufen. In Jerusalem traf Salameh beim Zeugnisgeben Farah Bakhit, der nach dem ersten biblischen Gespräch sofort alle seine Heiligenbilder vernichtete. Farah wurde später Versammlungsdiener (vorsitzführender Aufseher) und bewahrte unter anderem auch im Gefängnis und unter weiteren Härten, die er wegen seines Glaubens zu erdulden hatte, seine Treue.
Aufgrund des guten Beispiels, das Salameh gab, nahmen schließlich in diesem Gebiet seine Eltern, seine Tante, seine beiden Brüder und seine drei Schwestern die Wahrheit an. Sie haben bis heute einen starken Glauben bewahrt. Auch Bruder Kobrossis Frau begann die Zusammenkünfte zu besuchen. So stieg die Zahl der Anwesenden auf mindestens 12 an. Die wöchentlichen Zusammenkünfte fanden in den 26 Jahren von 1942 bis 1968 fast ununterbrochen in der Wohnung von Bruder Kobrossi statt. Gelegentlich wurden gemeinsam mit der Gruppe aus Ram Allah, das einige Kilometer nördlich von Beit Jala liegt, Zusammenkünfte abgehalten, wie zum Beispiel das Gedächtnismahl.
BESUCHER AUS BROOKLYN
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg zogen einige jüdische Zeugen Jehovas aus Europa nach Bat Yam, einem Vorort von Tel Aviv-Jaffa, der größten Stadt Israels, die an der Mittelmeerküste liegt, etwa 105 km südlich von Haifa. Hier wurde ein Wachtturm-Studium in deutscher Sprache eingerichtet. Somit gab es im Jahre 1947 in Ram Allah, Beit Jala, Haifa und Bat Yam Verkündigergruppen,
die weitgehend unabhängig voneinander Zusammenkünfte abhielten. In jenem Jahr war es Bruder Nathan Knorr und Bruder Milton Henschel aus dem Bethel Brooklyn möglich, die Brüder in Palästina zu besuchen und sie zu stärken. Über ihren Besuch war im Wachtturm vom 15. Dezember 1947 zu lesen:„Wir waren der Annahme, daß es etwa ein Dutzend Interessierte in Palästina gebe, aber zu der Versammlung hatten sich 40 Leute aus verschiedenen Teilen Palästinas zusammengefunden. Da gab es arabische Brüder und Brüder russischer, ukrainischer und deutscher Herkunft. Sie alle verstanden entweder Englisch oder Arabisch, und wir gebrauchten einen arabischen Dolmetscher. Von ihnen erfuhren wir, daß es heute 55 Interessierte gebe, die zerstreut im ganzen Lande wohnen und die Veröffentlichungen der Gesellschaft studieren. Nicht alle sind Verkündiger, doch glauben sie die Wahrheit und werden im Glauben auferbaut. Es war ein wirklich froher Tag! Wir sprachen den ganzen Tag mit Hilfe eines arabischen Dolmetschers, und viele Fragen wurden beantwortet. Anweisungen in bezug auf die Organisation ergingen, und ein Bruder wurde dazu bestimmt, sich der Interessen der Gesellschaft in Palästina anzunehmen. Es wurden Anstalten getroffen, viel Literatur zu bestellen und ein Depot in Belt Jala einzurichten. Wir erkundigten uns, welcher von den Brüdern am befähigtsten wäre, Gruppendiener [vorsitzführender Aufseher] in Haifa, Ram Allah, Belt Jala und anderen Dörfern zu sein, wo die Geschwister zusammenkommen. Bestimmte Brüder wurden dazu ernannt, und es besteht Hoffnung, daß sich das Werk des Predigens der guten Botschaft in Palästina weiterhin ausdehnen wird. Dieser Besuch bei den Geschwistern beglückte unsere Herzen, denn es war eine Freude, hier einige Tatkräftige vorzufinden, die jedes Wochenende in die verschiedenen Teile Palästinas reisen, um Schriften zu verbreiten und Interesse zu erwecken. Der Tag war im Nu vorbei, und wir mußten vor der Stunde des Ausgehverbots (18.30 Uhr) in Jerusalem zurück sein.“
Bruder Khalil Kobrossi wurde die Aufgabe übertragen, regelmäßige Kontakte mit den verschiedenen Gruppen der Zeugen zu unterhalten. Er wurde beauftragt,
Dienstberichte entgegenzunehmen und dafür zu sorgen, daß die verschiedenen Gruppen gemäß ihren Bedürfnissen mit Literatur versorgt wurden. Khalil unternahm im Jahr mehrere Reisen, um alle Gruppen und die verstreut wohnenden Verkündiger zu besuchen. Ende 1947 wurde in Haifa ein Kongreß veranstaltet, zu dem Brüder aus Ram Allah, Beit Jala und Bat Yam erschienen. Ungefähr 80 Anwesende erfreuten sich einer glücklichen Gemeinschaft. Für viele von ihnen war es das erste Mal, daß sie mit ihren Glaubensbrüdern aus anderen Städten zusammen sein konnten. Doch diese Vorkehrungen sollten nicht von langer Dauer sein.PALÄSTINA VERSCHWAND
Die politische Szene wandelte sich. Als Folge des Palästinakrieges, der 1948 zwischen den Juden und den Arabern stattgefunden hatte, entstanden aus dem Land zwei verschiedene Staaten. Damals berichteten ungefähr 30 Königreichsverkündiger über ihren Dienst.
Ein Teil Palästinas gehörte nun zum neuen Staat Israel, und der andere Teil stand unter jordanischer Herrschaft. Auf diese Weise waren jetzt die Zeugen, die auf der Ostseite der neuen Grenzlinie wohnten — die Gruppen in Ram Allah und Beit Jala sowie einzelne Verkündiger in Jerusalem und Jericho —, in Transjordanien, das seit 1950 Jordanien heißt. Die übrigen Zeugen in Haifa und Tel Aviv befanden sich innerhalb der Grenzen des neuen Staates Israel.
Abgesehen von sehr kurzen Besuchen, die an bestimmten religiösen Feiertagen aufgrund des erleichterten Grenzübergangs für zwei oder drei Tage möglich waren, konnte bis 1967 oder nahezu 20 Jahre lang zwischen den Zeugen, die in den beiden voneinander getrennten Gebieten lebten, kein Kontakt unterhalten werden. In jenem Jahr kam es durch den Krieg zwischen den Israelis und den Jordaniern wieder zu Grenzveränderungen.
Das jordanische Gebiet westlich des Jordan — die West Bank — gelangte unter israelische Verwaltung. Auf diese Weise kamen die Zeugen der Versammlungen in der West Bank — Ram Allah und Beit Jala — nach Israel, was den plötzlichen Anstieg von durchschnittlich 114 Königreichsverkündigern im Jahre 1967 auf 153 im Jahre 1968 erklärt. Und in Jordanien sank die Verkündigerzahl aufgrund der politischen Veränderung von 53 im Jahre 1967 auf 19 im Jahre 1968.DIE ENTWICKLUNG IN JORDANIEN
Wie ist es Jehovas Dienern in Jordanien ergangen? Als dort im Jahre 1952 die ersten Missionare eintrafen, richtete man in Ram Allah ein Missionarheim ein. Das Gebiet wurde von den Missionaren und anderen Verkündigern gut bearbeitet. Auch die Versammlung in der Nähe von Bethlehem machte gute Fortschritte. Im April 1952 fand dort während eines Kreiskongresses eine Taufe statt. Nach der Ansprache fuhr man mit den Personen, die sich taufen lassen wollten, an den Jordan, wo sie in der Nähe von Jericho in derselben Gegend getauft wurden, in der, wie einige annehmen, Jesus von Johannes getauft worden war. Welch ein freudiges Ereignis!
Als sich Bruder Knorr im Winter 1951/52 in Jordanien aufhielt, wurde entschieden, einige Hilfsgüter in dieses Land zu senden, da viele unserer Brüder nach dem Palästinakrieg des Jahres 1948 als Flüchtlinge dort lebten. Schließlich wurden 26 Ballen gebrauchte Kleidung nach Jordanien geschickt und unter bedürftige Glaubensbrüder verteilt. Sie waren für diese Geschenke sehr dankbar. Einige Leute witterten jedoch einen materiellen Vorteil. Sie begannen, unsere Zusammenkünfte zu besuchen, und gaben sich als Zeugen Jehovas aus, allerdings nur so lange, bis sie feststellten, daß Gottes Volk auf geistige Dinge und auf die Verkündigung der Königreichsbotschaft Nachdruck legt.
Als die Geistlichkeit der Christenheit den Erfolg der Zeugen Jehovas beobachtete, geriet sie in Wut und setzte alles daran, die Regierung zu bewegen, Missionare der Zeugen aus Jordanien auszuweisen. Dies wurde zunächst durch gesetzliche Maßnahmen verhindert. Aber die Geistlichkeit ließ nicht locker, und so wurden im Jahre 1953 die Missionare ausgewiesen. Da Jehovas Zeugen in Jordanien nicht verboten waren, wurden andere Missionare ins Land gesandt, deren Ausweisung aber schon nach wenigen Monaten erfolgte.
Anfang 1957 wurden dann auf Betreiben der Geistlichkeit Jehovas Zeugen und alle ihre Veröffentlichungen in Jordanien offiziell verboten. Das brachte für Gottes Volk neue Schwierigkeiten mit sich. Man durchsuchte mehrere Wohnungen und beschlagnahmte Literatur. Bruder Farah Bakhit wurde zu einer einjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, weil er einige Veröffentlichungen der Gesellschaft besaß. Er verlor auch seine Arbeit auf dem Postamt. Das war für seine Angehörigen eine große Härte, aber seine geistigen Brüder sorgten gut für seine große Familie, während er im Gefängnis war. Im Laufe weniger Jahre wurden mehrere Brüder verhaftet. Manche wurden nach Verhören und Bedrohungen freigelassen, während andere längere Zeit in Haft blieben.
Damals mußten die Zusammenkünfte soweit wie möglich zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten im geheimen abgehalten werden. Aber die Brüder hörten nicht auf zusammenzukommen, um geistige Speise zu sich zu nehmen und einander zu ermuntern.
Im Jahre 1959 unterbreiteten wir in einem Prozeß vor dem höchsten Gerichtshof Jordaniens Beweise dafür, daß wir entgegen einer Falschanklage keine Zionisten sind und nicht für Israel spionieren. Aufgrund eines Artikels, der in der Zeitschrift Erwachet! erschien, wurde
in jenem Jahr auch eine Briefaktion gestartet. Bei den staatlichen Behörden gingen Tausende von Briefen ein, und König Hussein ernannte ein dreiköpfiges Komitee, das über Jehovas Zeugen Nachforschungen anstellen sollte. Nach Abschluß der Arbeit leitete das Komitee einen eindeutigen Bericht an die Regierung weiter, und im März 1960 wurden Jehovas Zeugen in Jordanien aufgrund eines staatlichen Erlasses als eine religiöse Gemeinschaft anerkannt mit dem Recht, ihren Glauben zu praktizieren. Zufolge dieses Erlasses erübrigte sich die Weiterführung des Prozesses, durch den immerhin ein großes Zeugnis gegeben worden war.Nun trat für Jehovas Volk in Jordanien ein Wandel ein. Das Verbot der Zeitschrift Der Wachtturm und unserer anderen Veröffentlichungen wurde aufgehoben. Königreichssäle öffneten ihre Türen, und es fanden öffentliche Zusammenkünfte und Kongresse statt. Unter den Brüdern herrschte große Freude über diese Freiheit.
ZWEIGBÜRO IN JORDANIEN ERÖFFNET
Bruder Alfred Nussrallah traf im März 1961 zusammen mit seiner Frau in Jordanien ein. Sie waren beide Missionare. Ihre erste Zuteilung war Ram Allah, doch einige Monate später zogen sie in die Hauptstadt Amman, wo ein Missionarheim eröffnet wurde.
Im Februar 1962 besuchte Bruder M. G. Henschel Jordanien. Er empfahl, daß zwei weitere Gileadabsolventen, die in einem anderen arabischen Land gedient hatten, nach Jordanien zugeteilt wurden. So kamen im März jenes Jahres ein Bruder und eine Schwester aus den USA in Amman an. Im September 1962 wurde dort ein Zweigbüro der Watch Tower Society eröffnet.
NACH DER FREUDE ERNEUT SCHWIERIGKEITEN
Im Jahre 1963 reiste eine größere Gruppe von Zeugen Jehovas rund um die Welt, um dem Kongreß „Ewige
gute Botschaft“ beizuwohnen, der in verschiedenen Städten stattfand. Eine dieser Zusammenkünfte sollte in Jordanien abgehalten werden. Aber die Regierung verweigerte die Erlaubnis mit dem Hinweis, man müsse um die Sicherheit der Zeugen Jehovas fürchten, wenn ihnen erlaubt werde, sich öffentlich zu versammeln. Die Pläne für den Kongreß wurden zwar aufgegeben, doch war es unseren reisenden Glaubensbrüdern möglich, Jordanien als Touristen zu besuchen. Sie sahen viele biblische Stätten: Jerusalem, Bethlehem, Hebron, Jericho, den Jordan, das Tote Meer und Samaria — all das gehörte damals zu Jordanien. Einige fuhren auch nach Petra, der bekannten Felsenburg der Edomiter. Die einheimischen Zeugen verbrachten mit ihren Glaubensbrüdern aus anderen Ländern eine glückliche Zeit.Die Regierung billigte Jehovas Volk zwar die Freiheit zu, doch die Geistlichkeit war in ihrem Widerstand unerbittlich. Wiederholt beschuldigte sie Jehovas Diener, Zionisten zu sein. Alle diese Beschuldigungen, die von der Regierung überprüft wurden, stellten sich als Falschanklagen heraus. Doch im Jahre 1963 verbot die jordanische Regierung erneut alle unsere Veröffentlichungen. Am 27. Oktober 1964 hob sie dann die Anerkennung der Zeugen Jehovas auf, und wir galten in diesem Land nicht mehr als eine religiöse Gemeinschaft. Unsere Königreichssäle wurden geschlossen, ein Großteil der Literatur wurde beschlagnahmt. Die christlichen Zusammenkünfte mußten wiederum in kleineren Gruppen in Privatwohnungen und zu unterschiedlichen Zeiten abgehalten werden.
Der Zweigaufseher erhielt im Dezember 1963 eine andere Dienstzuteilung. Aber Bruder und Schwester Nussrallah konnten bis zum Winter 1965 im Land bleiben. Dann zwang man sie zur Ausreise. Zuvor jedoch wurde in Regierungskreisen ein großes Zeugnis gegeben.
In dem Bemühen, erneut die Anerkennung zu erlangen, wurde mit vielen Beamten Kontakt aufgenommen und auch versucht, den König zu sprechen, doch umsonst. Wir legten Berufung beim Hohen Gerichtshof ein, aber unser Fall wurde mit der Bemerkung abgewiesen, es handle sich um eine Sicherheitsfrage, für die man nicht zuständig sei. Die Freiheit, deren sich Jehovas Zeugen in Jordanien erfreut hatten, schwand dahin, die Missionare verließen das Land, das Zweigbüro wurde geschlossen, und unser Werk in Jordanien wurde wieder vom libanesischen Zweigbüro der Gesellschaft in Beirut aus geleitet. Dennoch fuhren Jehovas Zeugen in Jordanien fort, Jehova treu zu dienen.Nach dem Krieg von 1967 befanden sich die Versammlungen in Ram Allah und Beit Jala in einem Gebiet, das nun als ein Teil Israels galt. Nur eine einzige Versammlung blieb auf jordanischem Boden, und zwar in der Hauptstadt Amman. Trotz vieler Schwierigkeiten und Belästigungen haben die jordanischen Zeugen Jehovas ihren Dienst zum Lobpreis Gottes fortgesetzt.
SCHWIERIGE TAGE
Die Umwälzungen und Veränderungen im Jahre 1948, als der Staat Israel geboren wurde und sogleich Krieg mit den benachbarten arabischen Staaten ausbrach, brachten für das Königreichswerk schwierige Tage in Israel mit sich. Die Verbindung mit dem Hauptbüro der Gesellschaft in Brooklyn brach ab. Viele Zeugen verließen zusammen mit anderen Flüchtlingen das Land.
Es entstand ein extrem nationalistisches Klima, durch das auch unser Predigtwerk behindert wurde. Viele Israelis waren stolz auf ihre Errungenschaften. Andere schrieben Gott die Leistungen der neuen israelischen Regierung zu und sahen darin die Erfüllung biblischer Prophezeiungen. Viele indes hatten angesichts der Massenvernichtung,
bei der 6 Millionen Juden in Europa von den Nationalsozialisten hingemetzelt worden waren, verbittert jeglichen Glauben an Gott aufgegeben. Eine entscheidende Frage, die bis heute im Sinn vieler Juden aufsteigt, lautet: „Wenn es einen Gott gibt, wie konnte er dann ein solches Massaker zulassen?“ Da ihre Religion darauf keine befriedigende Antwort weiß, haben viele Juden auch für unsere Botschaft taube Ohren.Außerdem hat das schreckliche Beispiel der sogenannten christlichen Kirchen für unser Predigtwerk zu Schwierigkeiten geführt. Die antisemitischen Feldzüge der Christenheit im Laufe der Jahrhunderte einschließlich der Unterstützung des nationalsozialistischen Regimes ließen eine außerordentliche Abneigung gegen alles aufkommen, was mit dem Namen Christus Jesus oder mit den Christlichen Griechischen Schriften in Verbindung steht. Der Begriff „Missionar“ ist tatsächlich bei fast jedem Juden im Land zu etwas Anstößigem geworden. Die Brüder mußten ständig deutlich machen, daß sie kein Teil der Christenheit waren und nicht der Vorstellung entsprachen, die Einheimische im allgemeinen von Missionaren hatten.
NEUER BEGINN IN DER NÄHE VON TEL AVIV-JAFFA
Im Februar 1948 traf Schwester Frieda Susser, die 1942 in Polen die Wahrheit kennengelernt hatte, in Israel ein. Sie setzte sich mit denen in Verbindung, die von der kleinen Gruppe übriggeblieben waren, die in Bat Yam in der Nähe von Tel Aviv Jaffa zusammengekommen war, um ein regelmäßiges Wachtturm-Studium durchzuführen. Bald verließen auch alle diese das Land, und zurück blieben nur eine interessierte Dame und Schwester Susser. So gab es in der Gegend von Tel Aviv Jaffa eine Zeitlang nur einen einzigen Zeugen Jehovas.
Schwester Susser war sehr glücklich, als sich ihr im
Jahre 1950 Fanny Mintzer anschloß, die mit ihrer Familie aus Polen eingewandert war. Frieda und Fanny waren in Polen im selben Dorf aufgewachsen, doch hatten sie sich viele Jahre nicht mehr gesehen. Die Freude war groß, denn nun waren beide in der Wahrheit. Sie trafen sich regelmäßig zum Studium.Aber in welchem Gebiet sollten sie Zeugnis geben? Die beiden Schwestern einigten sich darauf, daß die eine, die im Norden der Stadt lebte, ganz Tel Aviv bearbeiten würde und die andere, die am südlichen Stadtrand zu Hause war, ganz Jaffa. (Jaffa ist das biblische Joppe.) Welch eine Zuteilung! Als Zusammenkunftsstätte
hatten sie nur ihre Wohnung. So kam man abwechselnd in diesen beiden Wohnungen zusammen.Frieda und Fanny zeigten wirklich großen Eifer für die Wahrheit, obgleich sie nur geringen Kontakt mit der Gesellschaft hatten und sehr wenig Anleitung erhielten. Und sie sind immer noch stark im Glauben. Frieda ist Sonderpionier, und Fanny ist ein sehr aktiver Verkündiger. Sie haben vielen geholfen, Glieder der Versammlung zu werden. Außerdem stand ihr Heim Personen offen, die als Einwanderer oder Besucher nach Israel kamen. Jehova hat ihre Anstrengungen wirklich gesegnet.
GILEADABSOLVENTEN TREFFEN EIN
Es war ein großer Tag für die Brüder in Israel, als im Juni 1951 die ersten vier Gileadabsolventen eintrafen: Ben und Grace Wiens und Thomas und Mary Wayne. Sie ließen sich in Jerusalem nieder, der Stadt, die, wie man hoffte, das Zentrum der reinen Anbetung in Israel werden würde. Doch selbst nach vierjähriger harter Arbeit war der Widerhall nur gering.
Es fanden zwar regelmäßig Zusammenkünfte statt, doch Neue waren unausweichlich Drohungen und materiellen Verlockungen ausgesetzt, durch die erreicht werden sollte, daß sie ihre Verbindung wieder aufgaben. Einige Zeit besuchten sogar 26 Personen die Zusammenkünfte, aber nur wenige machten weitere Fortschritte. Drei Interessierte gaben sich schließlich Gott hin und ließen sich taufen. Unter ihnen war ein älterer Araber. Er blieb bis zum Ende seines Lebens ein treuer Bruder, obwohl er blind war und zufolge des Widerstandes seiner Verwandten mitunter längere Zeit auf sich allein gestellt war.
KNORR UND HENSCHEL WIEDER ZU BESUCH
Ein Besuch von Bruder Knorr und Bruder Henschel im Januar 1952 war eine Gelegenheit, die Brüder und
Interessierten zusammenzubringen. Es waren insgesamt 24 Personen in Jerusalem versammelt. Man bemühte sich, einen Vortrag anzukündigen, der am 24. Januar abends stattfand; es wurden 51 Anwesende gezählt.Bis zu diesem Besuch hatten die Gileadabsolventen ihre Tätigkeit auf Jerusalem beschränkt. Nun wurden Vorkehrungen getroffen, daß Ben Wiens regelmäßig die in ganz Israel zerstreut wohnenden Verkündiger und Interessierten besuchte. Die meisten der 24 Personen, die in Jerusalem versammelt waren, waren Verkündiger gewesen, und es wurde ihnen allen geholfen, ihre Tätigkeit wiederaufzunehmen.
Im Jahre 1953 wurden Thomas und Mary Waylle nach Haifa versetzt, um der dortigen kleinen Gruppe beizustehen, während Ben und Grace Wiens noch einige Jahre in Jerusalem blieben. Im Jahre 1955 verließen die Waynes das Land. Ben und Grace zogen daher nach Haifa. Diese Stadt erwies sich als ein passender Ort, von wo aus sowohl mit den Brüdern in den nördlichen Dörfern als auch mit denen im Gebiet von Tel Aviv die Verbindung aufrechterhalten werden konnte.
VERSAMMLUNGEN GEGRÜNDET
Den Kern der Gruppe in Haifa bildeten Ibrahim Shehadi, seine wachsende Familie und die beiden russischen Brüder, die nach dem Zweiten Weltkrieg eingetroffen waren. Ibrahims Bruder Atallah war inzwischen in ein Dorf nahe der libanesischen Grenze gezogen. Er blieb dort für die Wahrheit tätig. Mittlerweile wuchs die jüngere Generation der Familie Shehadi heran, und einige davon fanden sich in den wöchentlichen Studiengruppen ein. Schließlich wurde im Juni 1956 in Haifa die erste selbständige Versammlung gegründet. Zu ihr gehörten zwei Schwestern, die in Rumänien die Wahrheit kennengelernt hatten, bevor sie nach Israel kamen.
Auch im Gebiet von Tel Aviv trug das Predigtwerk Früchte. Aus Polen kam ein interessierter Jude nach Israel und setzte dort mit einheimischen Verkündigern sein Studium fort. Nach vielen sehr ausführlichen Diskussionen war er davon überzeugt, daß Jesus der Messias war. Ein älterer Bruder, David Cohen, kam aus Ägypten. Er eignete sich als Versammlungsdiener, und so wurde im Oktober 1956 in Tel Aviv eine Versammlung gegründet, die aus sieben Verkündigern bestand.
AUFSICHT DURCH DEN ZYPRISCHEN ZWEIG
Einige Zeit lang wurden vom zyprischen Zweigbüro der Gesellschaft alle Dienstberichte zusammengestellt, und es wurde für Besuche des Kreisdieners gesorgt. Der Zweigdiener besuchte die Brüder in Israel zum ersten Mal im Jahre 1955. Im darauffolgenden Jahr fand in Haifa in Verbindung mit einem solchen Besuch im Hof eines Bruders ein Kongreß statt. Es war ein hübscher Ort für diese Zusammenkunft. Den Hintergrund für den Redner bildete das blaue Mittelmeer, und im Rücken der Zuhörer erhob sich der Berg Karmel. Es war eine Freude zu sehen, daß 22 der 51 Anwesenden am Sonntagvormittag in den Haus-zu-Haus-Dienst gingen. Alle Kongreßteilnehmer waren bei Brüdern und interessierten Personen in Haifa untergebracht.
Ein andermal kamen 20 Verkündiger von Zypern, um an einem Kongreß mit ihren israelischen Brüdern teilzunehmen. Die Zeugen in Israel beantragten ihrerseits Visa, um einem Kongreß auf Zypern beizuwohnen. Doch das Innenministerium akzeptierte dafür nicht den Grund, daß nämlich eine Gruppe Araber und Juden gemeinsam zu einem religiösen Kongreß reisen wollte. Die Brüder erhielten daher keine Erlaubnis.
SPRACHPROBLEME
Von Anfang an standen die Versammlungen vor
Sprachproblemen. In der Versammlung Tel Aviv beherrschte zum Beispiel eine der beiden ersten Schwester sechs Sprachen (Deutsch, Jiddisch, Polnisch, Russisch, Ukrainisch und Hebräisch), und Bruder. Cohen aus Ägypten sprach sieben Sprachen (Englisch, Französisch, Italienisch, Arabisch, Türkisch, Griechisch und Spanisch). Aber sie hatten keine Sprache gemeinsam. Die Schwester lernte deshalb Englisch, damit sie sich in dieser Sprache unterhalten konnten.Alle Zusammenkünfte mußten daher mehrsprachig durchgeführt werden, indem jemand aus dem Englischen und Polnischen ins Hebräische übersetzte oder umgekehrt. Das Gedächtnismahl wurde in Haifa einmal in fünf Sprachen gehalten, damit die 18 Anwesenden es verstehen konnten. Auch heute noch kann man, wenn man im Königreichssaal während des wöchentlichen Wachtturm-Studiums einen Blick in die Reihen wirft ein und denselben Studienartikel in Sprachen wie Russisch, Deutsch, Französisch, Spanisch, Türkisch, Englisch, Polnisch und Hebräisch sehen.
Weil Einwanderer aus allen Teilen der Welt nach Israel kommen, werden hier 70 verschiedene Sprachen gesprochen. Das ist im Predigtdienst kein geringes Problem, und dem Wohnungsinhaber kann man nicht immer Schriften anbieten, die er lesen kann. Da aber ein immer größerer Prozentsatz der Bevölkerung Hebräisch lernt, löst sich dieses Problem von selbst. Die jüngere Generation spricht vor allem Hebräisch, und in den meisten Familien versteht man heute Hebräisch.
FORTSCHRITT IN TEL AVIV
Im Jahre 1958 trafen die Gileadabsolventen Alex und Athena Panis und die Sonderpionierin Anita Seclenov aus Uruguay in Tel Aviv ein. Sie richteten ein Heim ein, das dann ein theokratisches Zentrum für die Zusammenkünfte
und den Predigtdienst wurde. Besonders von da an ging es vorwärts.Anita Seclenov, die fließend Russisch und Spanisch spricht, sah sofort die Früchte ihres Dienstes. In einer Werkstatt traf sie einen Tischler an, der russischer Abstammung war. Er abonnierte den Wachtturm in Russisch, was zu einem Studium mit seiner Frau führte. Sie wurde ein standhafter Verkündiger und nahm schließlich den Sonderpionierdienst auf. Anita fand auch bei einer weiteren Familie Gehör. Es waren bulgarische Juden, die Spanisch sprachen. Die Mutter blieb zwar nicht in der Wahrheit, doch ihr Sohn ist heute ein Aufseher in der Versammlung.
Auch eine weitere Dame aus Bulgarien hörte Schwester Seclenov mit Interesse zu. Aber ihre Lebensweise stand so sehr im Gegensatz zu biblischen Grundsätzen, daß es fast unmöglich schien, daß sie sich ändern werde. Doch sie änderte sich. Sie hat einige Jahre lang als Sonderpionier gedient, und auch andere Glieder ihrer Familie sind tätige Verkündiger. Sie nutzt ihre Fähigkeit, über 20 Sprachen zu sprechen, was für sie in diesem mehrsprachigen Land von großem Vorteil ist.
Es ist wirklich ein Erlebnis, diese Schwester von Haus zu Haus zu begleiten und zuzuhören, wie sie die gute Botschaft einmal in Spanisch, dann in Hebräisch, Bulgarisch, Russisch, Arabisch und dann wieder in Englisch verkündigt, weil sie hier auf Einwanderer aus verschiedenen Ländern stößt. Und wenn sie eine gehörlose Person antrifft, so ist dies für sie auch kein Problem, denn sie beherrscht auch die Zeichensprache für Gehörlose. Die kleine Küche ihrer bescheidenen Wohnung diente ziemlich lange als Königreichssaal
Im Laufe der Jahre kam die Versammlung Tel Aviv in mehreren Privatwohnungen und gemieteten Sälen zusammen. Da die Personenzahl anstieg und die Saalbesitzer
immer wieder aufgrund von Vorurteilen und auf Drängen der Nachbarschaft eine weitere Benutzung ihrer Räume ablehnten, fragten sich die Brüder oft, wo sie hingehen sollten. Aber die geplanten Zusammenkünfte fanden ohne Unterbrechung statt. Tatsächlich mußte in all den Jahren nur eine einzige Zusammenkunft abgesagt werden, und zwar deshalb, weil ein heftiger Sturm kurz vorher das Dach des Raumes abgehoben hatte, in dem sie stattfinden sollte. Im Jahre 1963 finanzierte die Watch Tower Society schließlich den Ankauf eines Königreichssaals im Zentrum von Tel Aviv. Die Anwesendenzahl stieg daraufhin immer weiter, bis es schließlich notwendig war, zwei Versammlungen zu bilden. Wenn wir auf diese Jahre zurückblicken, wird deutlich, daß Jehovas Hand die Dinge so lenkte, daß stets eine Möglichkeit vorhanden war zusammenzukommen.Oft erhalten neue Einwanderer Unterkunft und Arbeit in entlegenen Siedlungen, damit sich die Bevölkerung ausbreitet. So kam ein Bruder und Schwester Klufinski, die Ende 1957 aus Polen eintrafen, in ein sehr entlegenes Gebiet im Nordosten des Landes, in die Nähe der alten biblischen Stadt Hazor. Aber nach 6 Monaten gelang es ihnen, in die nähere Umgebung von Tel Aviv zu ziehen, nicht weit entfernt von Lod, dem Gebiet der biblischen Stadt Lydda. Seit 1959 findet in ihrer Wohnung ein Versammlungsbuchstudium statt und für Interessierte, die in diesem Gebiet wohnen, auch ein Wachtturm-Studium in polnischer Sprache, denn bis Tel Aviv sind es immerhin noch 23 km.
Als die Gileadabsolventen vorübergehend von Tel Aviv nach Nazareth versetzt wurden, wurde Bruder Abaye Behar, der aus der Türkei gekommen war, für einige Zeit als Aufseher eingesetzt. Er verstand aber weder Hebräisch noch eine der anderen Sprachen, die von den meisten Verkündigern gesprochen wurden. Was geschieht,
wenn der Wachtturm-Studienleiter die Antworten in den verschiedenen Sprachen nicht versteht?Bruder Behar las die Fragen aus dem Wachtturm in Türkisch. Jeder Anwesende hatte den Artikel in seiner eigenen Sprache vorliegen. Wenn eine Antwort in Russisch oder Polnisch gegeben wurde, war dafür gesorgt, daß ein reifer Verkündiger Bruder Behar zunickte, damit er wußte, ob die Antwort richtig und vollständig war oder ob noch mehr gesagt werden sollte. Wurde die Antwort in Hebräisch oder Deutsch gegeben, so übernahm ein anderer Verkündiger diese Aufgabe. Ansprachen in der Theokratischen Schule und der in Spanisch erteilte Rat wurden von einem 10 Jahre alten Verkündiger ins Hebräische übersetzt. Ansprachen, die in der Dienstzusammenkunft in Spanisch gehalten wurden, wurden für die slawisch sprechenden Verkündiger von einer Schwester ins Russische übersetzt und von einer anderen ins Hebräische. Auf diese Weise konnten alle genügend verstehen und aus den Zusammenkünften Nutzen ziehen.
Es war ein Segen, als der junge David Namer aus der Türkei eintraf. Er verfügte bereits über eine gute Kenntnis der hebräischen Sprache und hatte, obwohl er in der Wahrheit noch verhältnismäßig neu war, schon eine gute Erkenntnis und ein gutes Verständnis erlangt. Als der Versammlungsaufseher, der Gileadabsolvent, das Land verließ, übernahm David eine Zeitlang die Aufsicht über die Versammlung. Er dient jetzt als Glied des Zweigkomitees und hat an dem 5wöchigen Kurs in Brooklyn teilgenommen, was ein Höhepunkt in seinem Leben war.
KONGRESS „EWIGE GUTE BOTSCHAFT“
Ein herausragendes Ereignis im Jahre 1963 war der internationale Kongreß „Ewige gute Botschaft“. Der Großteil der Besucher ging nach Jordanien und Libanon, doch einige kamen nach Israel. Das Rabbinat erfuhr von
dem geplanten Kongreß und verlangte von dem Saaleigentümer, unseren Vertrag zu annullieren. Es drohte damit, ihm die Gaststättenlizenz entziehen zu lassen, was ihn wirtschaftlich ruiniert hätte. Obwohl die Brüder einen sicheren Vertrag in den Händen hatten, traten sie davon zurück und erhoben keinen Anspruch auf die Benutzung des modernen klimatisierten Saals, da sie dem Eigentümer Probleme ersparen wollten.Der Kongreß wurde in den Königreichssaal verlegt. Die Stimmung der Brüder war aber durch den Widerstand nicht etwa gedämpft worden, sondern gestiegen. Die Nachrichtenmedien griffen die Sache auf, und mehrere Zeitungen brachten in einer Gesamtspaltenlänge von 380 cm in Englisch und Hebräisch ihr Mißfallen über eine derartige Willkürmaßnahme zum Ausdruck. So gingen die Bemühungen der Rabbiner ins Auge. Beim öffentlichen Vortrag wurde eine Höchstzahl von 115 Personen erreicht.
ZWEIGBÜRO IN ISRAEL ERÖFFNET
Am 1. Januar 1963 wurde Israel schließlich ein selbständiger Zweig mit einem Büro in Haifa. Von hier aus wurden Kreisaufseherbesuche, Kongresse und alle anderen Aktivitäten organisiert, Berichte entgegengenommen und wurde der Schriftverkehr mit den Versammlungen und Gruppen unterhalten. Damals gab es im Land ungefähr 80 Verkündiger, von denen die meisten in Haifa und Tel Aviv sowie in der Umgebung dieser beiden Städte wohnten. Ungefähr zur selben Zeit wurde mit der Ankunft von Eric und Catherine Pearce sowie Derek und Jean Hanson für zusätzliche Hilfe gesorgt.
Ein weiterer entscheidender Schritt erfolgte im Dezember 1962 mit der Veröffentlichung der ersten Ausgabe des Wachtturms in Hebräisch. Die ersten 15 Ausgaben wurden vervielfältigt. Im Laufe der Zeit kamen verbesserte Ausgaben heraus, und die Auflage stieg von
300 bis 400 Exemplaren auf durchschnittlich über 2 000 Exemplare pro Ausgabe, die in mehr als 30 Länder gingen. Aufgrund des Einfuhrverbots hebräischer Literatur erfolgt das Drucken des Wachtturms in einer lokalen Druckerei, während Übersetzung, Layout und Korrektur von einheimischen Zeugen besorgt werden.Einer unserer Übersetzer ist Shoshana Givati. Sie wuchs hier in Israel auf, ging aber später in die Vereinigten Staaten, wo sie 1960 eine Zeugin Jehovas wurde. Sie hörte von einem Ehepaar, das sich sehr anstrengte, Hebräisch zu lernen, um nach Israel auswandern und den dortigen Versammlungen helfen zu können. Daher dachte sie: „Wenn die beiden solche Anstrengungen unternehmen, während ich bereits Hebräisch kann, was tue ich dann noch hier in den Vereinigten Staaten?“ Sie ordnete sogleich ihre Angelegenheiten und ging nach Israel zurück. Trotz familiärer Verpflichtungen hat sie seither beim Übersetzen des Wachtturms mitgewirkt.
Im Juni 1966 wurde in Haifa ein passenderes Gebäude gemietet, um einen Königreichssaal, ein Zweigbüro und Wohnräume für die kleine Bethelfamilie zu haben. Mitte der 1960er Jahre kamen in Tel Aviv regelmäßig 80 bis 100 Personen zusammen und in Haifa ungefähr 40 Personen — ein Zeichen dafür, daß es voranging. In einem Jahr nach dem anderen wurden neue Verkündigerhöchstzahlen erreicht: 1964 — 88; 1965 — 98; 1966 — 112; 1967 — 126.
EINE HERZLICHE INTERNATIONALE BRUDERSCHAFT
Was die Brüder wegen der Sprachenschranken in bezug auf die gegenseitige einwandfreie Verständigung entbehren mögen, wird durch die unter ihnen herrschende echte Herzlichkeit ausgeglichen. Eine Dame sagte beim Besuch ihrer ersten Zusammenkunft: „Sie sind hier alle so freundlich.“ Daß dies von großer Bedeutung ist, zeigt folgende Erfahrung:
Eine Zeugin, die in Polen die Wahrheit kennengelernt hatte und noch sehr wenig Hebräisch sprach, traf auf dem Weg zu einer Versammlungszusammenkunft eine Bekannte aus ihrem Heimatland. Sie erzählte ihr, wohin sie gehe, und lud sie sogleich ein, sie zu begleiten. Die Dame kam mit, und obwohl sie nicht viel verstand, war sie von der Herzlichkeit und Freundlichkeit der Brüder so beeindruckt, daß sie regelmäßig kam. Sie sprach mit den Frauen zweier Arbeitskollegen ihres Mannes darüber. Heute gehören sie alle zu der Versammlung. Eine dieser Schwestern war mehrere Jahre Pionier, und ihr Mann ist heute ein Dienstamtgehilfe.
Ein weiteres Beispiel, das zeigt, wie international unsere Versammlungen hier sind, ist Bruder Moshe Erez, der im Irak aufwuchs. Von der Königreichsbotschaft hörte er zum ersten Mal in Hongkong. Im Zweiten Weltkrieg war er dann in Japan. Dort begann er, über seinen neugefundenen Glauben Zeugnis abzulegen. Doch im Laufe der Zeit wurde sein Glaube durch die Isolation und das Studium von Büchern über Bibelkritik geschwächt. Nach Kriegsende kehrte er in den Irak zurück und kam dann nach Israel.
Moshe hatte beschlossen, ein Buch über sein Leben zu schreiben, und wollte dabei besonders den Wandel in seiner Einstellung zur Religion und zur Bibel aufzeigen. Nach Fertigstellung des Manuskripts sah er sich nach einem Verlag um, der es herausbringen würde. Als er mit dem Scheich eines Dorfes, in dem er arbeitete, darüber sprach, meinte dieser, vielleicht würden ihm Jehovas Zeugen bei seinem Vorhaben behilflich sein, da sie doch religiöse Literatur veröffentlichten. So bekam Moshe Kontakt mit der dortigen Versammlung, und es folgten mehrere ausführliche Gespräche.
Moshe war sowohl von der Erfüllung der Prophezeiung Daniels über die „siebzig Wochen“ in Verbindung
mit dem Messias als auch von der Genauigkeit der gesamten biblischen Chronologie tief beeindruckt. Der Glaube, den er in Hongkong erlangt und in Japan verloren hatte, wurde wieder entfacht und gefördert, diesmal gestützt auf genaue Erkenntnis. Durch regelmäßiges Studium und die Gemeinschaft in den Zusammenkünften der Versammlung nahm sein Glaube rasch zu. Zusammen mit seiner Tochter Dalia, die ebenfalls schnelle Fortschritte in der Wahrheit machte, ließ er sich im Jahre 1962 taufen. Der Wunsch, ein Buch über sein Leben herauszugeben, war nun vergessen. Beide sind seither eine gute Hilfe für die Versammlung gewesen. Der Vater übersetzt in den Zusammenkünften nötigenfalls ins Arabische, Hebräische und Englische und dient auch als Ältester. Die Tochter dient seit über 10 Jahren im Bethel und ist ständig mit dem Übersetzen und Korrekturlesen von Stoff für den Wachtturm und für andere Veröffentlichungen beschäftigt.DER SECHSTAGEKRIEG 1967
Die Versammlungen der Zeugen Jehovas gaben während des Israelisch-arabischen Krieges vom Juni 1967 durch die in ihren Reihen herrschende Einheit und das gegenseitige Vertrauen ein gutes Beispiel. In Israel erreichte die Bitterkeit und der Argwohn zwischen dem jüdischen und dem arabischen Teil der Bevölkerung in den spannungsgeladenen Tagen vor dem Krieg und während des Krieges einen Höhepunkt. Doch die Versammlung in Haifa, die sowohl aus jüdischen als auch aus arabischen Brüdern besteht, kam selbst während des Krieges zusammen, ohne daß sich auch nur eine Spur dieses Hasses und Argwohns zeigte. Die Zusammenkünfte fanden bei verdunkeltem Königreichssaal und gedämpftem Licht weiterhin in voller Länge statt.
Die Versammlung in Tel Aviv mußte ihre Zusammenkünfte auf den Nachmittag verlegen, weil nach Sonnenuntergang
nur äußerst beschränkte Transportmöglichkeiten bestanden. Ansonsten ging alles wie gewohnt weiter. Den Brüdern boten sich viele Gelegenheiten, über die ‘Zeichen der Zeit’ zu sprechen und von ihrer Hoffnung Zeugnis abzulegen. In jenem Monat wurde in Israel eine neue Höchstzahl von 126 Verkündigern erreicht, die über ihren Predigtdienst berichteten.Nach dem Krieg konnte der Kontakt zwischen den Brüdern in Israel und denen in der sogenannten West Bank wiederaufgenommen werden. Zur West Bank gehörten die Versammlungen in Ram Allah und Beit Jala sowie die Gruppe in Jericho. Nach fast 20 Jahren konnten nun Brüder von dort zum ersten Mal wieder Brüder auf der anderen Seite der Grenze besuchen, die nach dem Palästinakrieg 1948 errichtet worden war. So bald wie möglich wurde für eine Delegation aus dem Zweigbüro der Gesellschaft, zu der auch ein arabisch sprechender Dolmetscher gehörte, eine Erlaubnis eingeholt, diese Orte zu besuchen. Doch über den Aufenthaltsort der Brüder hatte man nur sehr vage Angaben. Die Delegation berichtete:
„Von Jerusalem aus fuhren wir nach Norden. Auf unserem Weg sahen wir noch die Spuren des Krieges — ausgebrannte Panzer und Kraftfahrzeuge und Häuser, die Granateinschläge aufwiesen. Schließlich erreichten wir Ram Allah. Jemand aus unserer Gruppe erinnerte sich an den Namen einer Familie, die vor einigen Jahren dort gewesen war. Wir erkundigten uns daher nach dem Weg zu ihrem Haus. Es wies keine Schäden auf und war offensichtlich noch bewohnt. Wir klopften also an. Jemand öffnete ziemlich nervös die Tür einen Spalt weit, und wir erklärten, wer wir waren. Das änderte die Situation augenblicklich. Wir wurden willkommen geheißen, und es stellte sich heraus, daß wir genau zur rechten Zeit dort eingetroffen waren, wo man das wöchentliche ,Wachtturm‘-Studium durchführte. Die Brüder waren über unser Erscheinen begeistert. Sie hatten einige Zeit vor Ausbruch des Krieges den Kontakt mit dem Büro der Gesellschaft in Beirut verloren.
An jenem Nachmittag waren 18 Personen beim Studium anwesend.Nach dem Studium wurden die Brüder durch eine kurze Ansprache über alles unterrichtet, was in Verbindung mit dem Fortschritt der Versammlungen in Israel geschehen war. Diese Ansprache, die ins Arabische übersetzt wurde, war wahrscheinlich die erste Rede, die je in Ram Allah in hebräischer Sprache gehalten wurde. Wir hatten eine Ladung guter Dinge für die Brüder bei uns: sowohl einen Vorrat neuester Zeitschriften zur Deckung ihrer geistigen Bedürfnisse als auch eine Menge Lebensmittel — Geschenke der Brüder aus der Versammlung Haifa. Auch die Bedürfnisse der drei Sonderpioniere wurden befriedigt. Es war für uns alle ein freudiges Ereignis. Bedauerlicherweise mußte es abgekürzt werden, da die Sperrstunde heranrückte und wir nach Jerusalem zurückfahren mußten, wo wir übernachteten.
Am nächsten Tag — diesmal mit Namen und Adressen ausgestattet — besuchten wir die Brüder im Gebiet von Beit Jala und Bethlehem. Auch hier ging es allen gut; keiner war zu Schaden gekommen. Der Versammlungsaufseher, Farah Bakhit, freute sich so sehr, uns zu sehen, daß er seinen kleinen Laden auf der Stelle schloß und uns zu allen Familien führte, die mit der Versammlung verbunden waren, unter anderem auch zu jenen Treuen, die in den fast 20 Jahren, in denen das Land geteilt war, standhaft geblieben waren. Der Tag verging nur allzu schnell, und wir mußten uns wieder verabschieden. Doch zuvor vereinbarten wir noch einen weiteren Besuch unter der Voraussetzung, daß die Grenze in der Zwischenzeit unverändert bliebe.“
Der nächste Besuch, der drei oder vier Wochen später stattfand, dauerte länger, und diesmal waren im voraus Zusammenkünfte geplant worden. Auch die alleinstehenden Familien in Jericho und Nablus wurden besucht. Der einzige Bruder in Nablus, Joseph Abdennour, hatte Jahre zuvor zur Versammlung Haifa gehört.
Für den 6. August, weniger als zwei Monate nach dem Krieg, war für alle Verkündiger im Land ein eintägiger Kongreß in einem großen Hotel geplant. Man hatte dieses Datum gewählt, damit er mit einer Ferienreise von
F. W. Franz, dem damaligen Vizepräsidenten der Gesellschaft, zusammenfiel, der mit anderen Brüdern aus New York das Land besuchte.Die Brüder freuten sich, zwei Glieder der ursprünglichen Gruppe zu treffen, die die Königreichsbotschaft im Jahre 1919 aus den Vereinigten Staaten nach Ram Allah gebracht hatten. Die Verkündiger aus der West Bank waren begeistert, so viele aus den Städten in Israel zu sehen, wo es 20 Jahre zuvor nur 4 oder 5 Verkündiger gegeben hatte. Der eintägige Kongreß wurde von 176 Personen besucht. Es zeigte sich ein großartiger Geist der Einheit, der besonders deutlich zu erkennen war, als die Brüder, die durch eine mit Stacheldraht gesicherte Grenze voneinander getrennt gewesen waren, nun die Gelegenheit wahrnahmen, Grüße und Neuigkeiten auszutauschen, soweit es die unterschiedlichen Sprachen zuließen. Seither ist es Brüdern aus der West Bank immer möglich gewesen, den Kreis und Bezirkskongressen in Israel beizuwohnen, während die Brüder aus dem israelischen Teil die dortigen Versammlungen besuchen konnten.
Die beiden Versammlungen in der West Bank hatten früher Verbote und Literaturbeschlagnahmungen hinnehmen müssen, denn der Geistlichkeit von Jerusalem und Bethlehem war es gelungen, die jordanische Regierung in Amman zu einem solchen Vorgehen gegen Jehovas Zeugen zu veranlassen. Doch diese Würdenträger können ihren Einfluß weder bei der israelischen Zivilverwaltung noch bei den Militärbehörden geltend machen, und deshalb können wir seit 1967 in der West Bank frei tätig sein und uns versammeln. Denselben Geistlichen war es früher auch gelungen, den Brüdern in Amman (Jordanien) Schwierigkeiten zu bereiten, doch heute haben sie keine Möglichkeit mehr, auf die dortigen Behörden einzuwirken.
EINE LEKTION FÜR FAMILIENVÄTER
Aus dem, was im Falle von Bruder Joseph Abdennour geschah, der um das Jahr 1947 von Haifa nach Nablus zog, kann man eine Lehre ziehen. Joseph bewahrte zwar seinen Glauben an die Königreichsbotschaft und gab anderen Zeugnis, sooft sich ihm die Gelegenheit bot, doch er versäumte, den geistigen Bedürfnissen seiner Kinder genügend Aufmerksamkeit zu schenken. Da keine Versammlung in der Nähe war, konnten sie keine Zusammenkünfte besuchen und auch nicht mit anderen Kindern gleichen Glaubens Gemeinschaft pflegen. Das führte dazu, daß sich keines seiner Kinder für die Wahrheit interessierte, sondern daß sie sich entweder dem elterlichen Geschäft, der Politik oder anderen Interessen widmeten.
Ein Sohn wurde ein aktiver Kommunist und verbrachte unter jordanischer Herrschaft wegen seiner politischen Tätigkeit sogar eine 7jährige Haftstrafe in einem Arbeitslager in der Wüste. Er hatte zwar gehört, wie sein Vater von der biblischen Hoffnung erzählte, doch ihm wurde sie nie ausführlich erläutert. Durch das, was er im Arbeitslager erlebte, wurde sein Vertrauen zum Kommunismus erschüttert, und er war nun jeglicher Hoffnung beraubt. Nach dem Tode seines Vaters zog er mit seinen Angehörigen nach Ram Allah, wo er mit den Zeugen in Berührung kam. Er hatte auch die Bibliothek seines Vaters mitgenommen, zu der die Veröffentlichungen der Gesellschaft zählten. Durch die Besuche der Brüder wurde sein Interesse geweckt. Man konnte ein Studium mit ihm beginnen, wodurch sein Glaube an Gott und die Bibel gestärkt wurde. Er machte rasch Fortschritte, und auf dem ersten Kongreß, den er besuchte, ließ er sich taufen. Eine Zeitlang diente er sogar als Pionier. Sein Vater hätte sich über seinen Fortschritt im Glauben bestimmt sehr gefreut.
DIE BEARBEITUNG DES GEBIETS
In Israel wohnen die meisten Zeugen in der Nähe der Städte, in denen sich die Versammlungen befinden — in Haifa und Tel Aviv und in der West Bank in Ram Allah und Beit Jala/Bethlehem. Dennoch wurde in vielen Gegenden des Landes schon die Botschaft verkündigt, und Literatur ist in viele weitere Städte und Dörfer gelangt. Städte, die immer noch biblische Namen tragen, haben zumindest ein Zeugnis erhalten, wie zum Beispiel Asdod, Askalon, Gath, Joppe, Cäsarea, Beer-Scheba, Elath, Jerusalem, Lydda (heute Lod), Nazareth, Ptolemais (heute Akko) und die Gemeinden entlang dem Karmel. Genauso ist in Gebieten der West Bank wie Hebron, Sidlem (heute Nablus) und Jericho die gute Botschaft in begrenztem Maße verkündigt worden.
Im ersten Jahrhundert gab es eine Christenversammlung in Ptolemais (Apg. 21:7). Heute haben wir dort eine Verkündigerin, und wie standhaft sie ist! Da sie als Mädchen Kinderlähmung hatte, war ihr Bewegungsradius auf wenige Meter um das elterliche Haus in der befestigten Altstadt beschränkt. Zufällig hatte ein Bruder ganz in der Nähe ein Uhrengeschäft; dorthin ging sie gelegentlich, um sich zu unterhalten. Die ermutigende gute Botschaft, die ihr in Aussicht stellte, eines Tages wieder laufen und springen zu können, fand bei ihr Anklang.
Die Wahrheit veränderte ihre Einstellung zum Leben grundlegend und verlieh ihr überdies den Ansporn, einen Beruf zu erlernen, eine passende Arbeit zu suchen und sogar den Führerschein zu machen. Bald fuhr sie regelmäßig die 24 km nach Haifa, um die Zusammenkünfte der Versammlung zu besuchen. Aus ihr ist eine vorzügliche, begeisterte und tatkräftige Zeugin geworden, die auch gelegentlich als Hilfspionier dient. Im Jahre 1969 besuchte sie einen Kongreß in Paris.
DIE ERFORDERLICHE BEHARRLICHKEIT
Es ist in Israel nicht leicht, ein Zeuge Jehovas zu werden. Wenn sich jemand, der jüdischer Abstammung ist, mit der örtlichen Versammlung verbindet, hat er von allen Seiten mit Gegnerschaft zu rechnen. Seine Liebe zur Wahrheit und seine Entschlossenheit, Jehova zu dienen, werden wirklich erprobt. Eine Familie, die eine derartige Gegnerschaft zu erdulden hatte, kam aus Rußland.
Eine Pionierschwester fand diese Familie, deren Glieder durch ein wöchentliches Studium schnell Fortschritte machten und eine gute geistige Einstellung entwickelten. Sie waren entschlossen, an dem, was sie kennenlernten, festzuhalten. Es kam vor, daß man ihnen die Fensterscheiben einwarf, und fast täglich wurden sie verlacht und verspottet. Doch mit der Zeit erlangten sie die Achtung derer, die früher gegnerisch eingestellt waren und sie gemieden hatten.
Als sie die Zusammenkünfte besuchten und anderen Zeugnis gaben, wurde das Rabbinat aufmerksam. Das örtliche Komitee des Rabbinats bot ihnen finanzielle Unterstützung an, wenn sie zur jüdischen Religion zurückkehren würden, denn es war der Annahme, daß sie wegen materieller Verlockungen Christen geworden waren Die Antwort des Vaters war unmißverständlich: „Es gibt Dinge, die man nicht mit Geld bezahlen oder kaufen kann, und das trifft auch auf die Wahrheit des Wortes Gottes, der Bibel, zu. Ich habe diese Wahrheit mit Hilfe der Zeugen Jehovas gefunden.“ Der Bruder leistet heute vorzügliche Hilfe als Ältester, und zwei seiner Familienglieder haben bereits als Pioniere gedient. Solche frühen Erprobungen führen zu einer Glaubenskraft, die für die Zeugen hier von Nutzen gewesen ist.
SCHNELLER FORTSCHRITT VON NEUEN
Seit 1969 dient Anita Seclenov als ein Glied der Bethelfamilie. Da sie sich bei einem Sturz eine Rückenverletzung
zuzog, ist ihr Predigtdienst eingeschränkt, und sie kann hauptsächlich nur mit Personen in der unmittelbaren Umgebung des Bethelheims sprechen. Ungefähr 50 m vom Heim entfernt, fand sie eine Dame, die Interesse zeigte und mit der sie trotz Sprachschwierigkeiten ein Studium begann. Die Freude, die diese Hausfrau aus dem Studium erlangte, erweckte bei ihrem Mann Interesse, und auch er fing an, zu lesen und schließlich zu studieren.Sie wurden ermuntert, die Zusammenkünfte zu besuchen, doch jedes Mal, wenn es Zeit war wegzugehen, kam jemand aus ihrer großen Verwandtschaft zu Besuch. Selbst wenn sie bereits im Saal waren, rief man sie, sobald Besucher eintrafen, nach Hause. Aber schließlich „schmeckte“ ihnen die in den Zusammenkünften dargebotene geistige Speise so gut, daß sie ihre vielen Freunde und Verwandten unterrichteten, sie seien an den drei Abenden, an denen Zusammenkünfte stattfänden, innerhalb einer bestimmten Zeit nicht zu Hause anzutreffen.
Diese beiden Eheleute, Hanna und Nehai Khoury, und ihre fünf Kinder haben ihren vielen Verwandten in der Stadt und in ihrem entfernt gelegenen Heimatdorf ein gutes Zeugnis gegeben. Sie haben sich auch für die Versammlung als eine große Hilfe erwiesen. Der Vater übernahm bald die Führung im Predigtdienst und erfüllte auch andere Aufgaben in der Versammlung. Er wurde zu einem Glied des Zweigkomitees ernannt, und im Jahre 1978 hatte er das Vorrecht, in Brooklyn (New York, USA) den Kurs für Zweigkomiteeglieder zu besuchen. Es war das erste Mal, daß er außer Landes reiste und daß, er von seiner Familie getrennt war.
KONGRESSE UND GEDÄCHTNISMAHL
Seit 1967 wird das Programm auf allen unseren Kreis- und Bezirkskongressen in Hebräisch und Arabisch dargeboten. In einigen Fällen läuft das Programm in der
einen Sprache ab und wird in die andere übersetzt. Manchmal findet das Programm in den beiden Sprachen getrennt in angrenzenden Sälen statt, und in den Pausen haben die Brüder Gelegenheit, miteinander Gemeinschaft zu pflegen. Zufolge der steigenden Anwesendenzahlen haben uns für diese Kongresse verschiedene Säle gedient — Kinos, Vereinslokale und Schulen.Das Gedächtnismahl fällt oft mit der Passahfeier der Juden zusammen, ein Umstand, der einige Probleme hervorruft. Bei Sonnenuntergang stellen alle öffentlichen Verkehrsmittel ihren Betrieb ein, und nur wenige Brüder haben ein Auto. Jüdische Familien versammeln sich hier um den Sedertisch zur Feier des Auszuges aus Ägypten in den Tagen Mose, und diese Situation bringt für Zeugen in religiös geteilten Familien Schwierigkeiten mit sich. Das ist besonders dann der Fall, wenn die Mutter der Familie als einzige in der Wahrheit ist und man von ihr erwartet, zu Hause zu sein und das Passahmahl zuzubereiten und aufzutragen. Das ist nur eines der vielen Probleme, vor die sich Neue gestellt sehen, wenn sie für das wahre „Passahlamm“, den Messias, eintreten. So ist die Zahl von über 400 Anwesenden bei unserem jährlichen Gedächtnismahl ein Beweis für große Anstrengungen seitens interessierter Personen.
VIELE BESUCHEN „DAS LAND DER BIBEL“
Es sind zwar schon immer einzelne Besucher nach Israel gekommen, doch im Jahre 1973 organisierte die Gesellschaft ein Tourenprogramm, das es viel mehr Zeugen ermöglichte, das Land zu sehen, wo sich vieles abspielte, was mit der Verwirklichung der Vorsätze Jehovas in Verbindung steht. Das Programm umfaßte die Flugreise nach Israel und eine gutorganisierte Rundreise. Auch für bequeme Unterkünfte war gesorgt. Über 3 500 besuchten damals das Land. Sie verbanden ihren Besuch mit einem Kongreß in Europa oder anderswo.
Im Jahre 1978 wurde das Programm auf ähnliche Weise wiederholt, und diesmal kamen mehr als 14 000 Besucher aus über 40 verschiedenen Ländern. Im Jahre 1979 beteiligten sich weitere Tausende an ähnlichen Rundreisen. Was sehen diese Besucher?
Im Plan der einwöchigen Rundreise wird das ganze Land soweit wie möglich berücksichtigt; es ist sozusagen
eine Besichtigung „von Dan bis Beer-Scheba“ und mitunter noch darüber hinaus. Einige Reisen führten bis in das Gebiet des Berges Sinai. Es ist glaubensstärkend und bildend, selbst einmal die Stätten und Gegenden zu sehen, an denen bedeutsame biblische Ereignisse stattfanden: Megiddo, der Berg Karmel, Cäsarea, Kapernaum, Joppe, der Ölberg, Jericho, das Hinnomtal, Nazareth und Bethlehem. Die ganze biblische Geschichte wird lebendig und gewinnt an Bedeutung.Aber das ist nicht der einzige Nutzen gewesen. Viele Gruppen von Besuchern arrangierten ein Zusammensein mit den einheimischen Verkündigern, die in die Hotels kamen, in denen die Besucher untergebracht waren. Man tauschte ermunternde Erfahrungen aus und sprach über Neuigkeiten. Und für die vierköpfige Bethelfamilie war es ein Erlebnis, in ihrem kleinen Heim so viele Tausende zu empfangen.
Außerdem gaben die vielen Zeugen, die das Land der Länge und der Breite nach bereisten, den Personen, mit denen sie in Berührung kamen, ein vorzügliches Zeugnis. An jedem Bus war ein Schild angebracht: „Jehovas Zeugen — Reise durch das Land der Bibel“, und viele Besucher trugen Abzeichen, an denen sie als Zeugen Jehovas zu erkennen waren. Selbst wenn also aufgrund der Sprachenschranken keine Unterhaltung möglich war, hinterließen die Brüder durch ihren guten Wandel und ihre Freundlichkeit einen positiven Eindruck.
NEUTRALITÄTSFRAGE
Zehn Tage nach der Abreise der letzten Besuchergruppe im Jahre 1973 brach zwischen Israel und seinen Nachbarn der Jom-Kippur-Krieg aus. Wie im Jahre 1967 setzten die Versammlungen ihre Tätigkeit ohne Unterbrechung fort und führten auch ihre Zusammenkünfte durch. Schwierigkeiten entstanden aber, als die israelische Regierung die Zwangsaushebung einführte und die
für unsere jungen Brüder früher ausgesprochene Befreiung rückgängig machte. Einige Brüder, darunter zwei Älteste, Väter von Kleinkindern, sowie einige Dienstamtgehilfen, wurden festgenommen und zu einer Haftstrafe in einem Militärgefängnis verurteilt. Der Vater einer Familie war sogar über ein Jahr abwesend. Die Brüder am Ort kümmerten sich um die Familien, versorgten sie mit Lebensmitteln und leisteten auch andere praktische Hilfe.Erst als die inhaftierten Brüder noch strikter der Stimme ihres Gewissens folgten und sich weigerten, die Arbeitskleidung des Heeres zu tragen, die als Gefängniskleidung ausgegeben wurde, und alle Arbeitszuteilungen im Lager ablehnten, trat eine Wende ein. Sie mußten zwar einige Wochen bei winterlichem Wetter, nur mit der Unterwäsche bekleidet, unter unmenschlichen Bedingungen im Strafblock ausharren, als jedoch die Öffentlichkeit davon erfuhr und sich alle Bemühungen, ihre Lauterkeit zu brechen, als nutzlos erwiesen hatten, wurden sie schließlich freigelassen. Die Presseberichte waren im wesentlichen günstig. In mehreren Zeitungen des Landes sowie in Nachrichtensendungen des Rundfunks und in einer Sendung, zu der Hörer anrufen konnten, wurden Einzelheiten über die betroffenen Familien berichtet, und die von uns vertretenen Grundsätze und Glaubensansichten erläutert.
Im Zusammenhang mit diesen Meldungen erschien wahrscheinlich zum ersten Mal der Name Gottes — Jehova — in den Zeitungen und war sogar über Radio zu hören. Obgleich das Tetragrammaton in der hebräischen Bibel und in anderer religiöser Literatur erscheint, wird es in weltlichen Publikationen nie gebraucht, und es wird auf keinen Fall ausgesprochen. Wenn sich Verkündiger an der Tür als „Zeugen Jehovas“ vorstellen, müssen sie dem Wohnungsinhaber erst erklären, daß diese Bezeichnung in Wirklichkeit „Zeugen Gottes“ bedeutet.
Während uns jüdische Wohnungsinhaber wegen des Gebrauchs des Namens Jehova zur Christenheit zählen, hält uns die arabische Bevölkerung für „Zionisten“, weil wir den jüdischen Gottesnamen Jehova verwenden. In unseren Augen ist es ein einzigartiges Vorrecht, den Namen des allmächtigen Gottes zu tragen.RELIGIÖSE EXTREMISTEN REAGIEREN FEINDSELIG
Obgleich in Israel Religionsfreiheit besteht, gibt es Einzelpersonen und missionsfeindliche Bewegungen, die jegliches Proselytenmachen bekämpfen. Diese Bewegungen haben uns oft mit Missionaren der Christenheit verwechselt. Im Jahre 1977 gipfelte der Widerstand gegen unser Werk in einer Aktion gegen die Versammlung in Tel Aviv und ihren Königreichssaal.
Fanatische orthodoxe Juden brachten über einige Familien von Zeugen Jehovas Schwierigkeiten, indem sie in deren Nachbarschaft beleidigende Pamphlete verteilten. Auf dem Weg zu den Zusammenkünften und auf dem Rückweg wurden die Brüder mit beleidigenden, schmutzigen Worten sowie mit Drohungen überhäuft. Dann folgten drei Einbrüche im Königreichssaal, bei denen die Täter nicht nur die Möbel beschädigten, sondern auch die Verstärkeranlage, die Klimaanlage, elektrische Installationen und Schriften; ja sie zerrissen sogar alle vorhandenen Exemplare des Wortes Gottes, der Bibel.
Proteste an die Behörden und Hilferufe blieben zunächst unbeachtet. Als jedoch der Fall sowohl von der in- und ausländischen Presse als auch vom lokalen Fernsehen aufgegriffen wurde, wurde die Polizei tätig. Man lauerte den Tätern auf, was zur Verhaftung dreier Studenten eines Rabbinerseminars führte, die ein viertes Mal gekommen waren, diesmal in der Absicht, das Gebäude in Brand zu stecken. Obwohl diese Vandalen mit einer geringen Geldstrafe und einer auf Bewährung ausgesetzten Haftstrafe davonkamen, wurde den Anschlägen
durch das Eingreifen der Polizei doch ein Ende gesetzt. Viele ehrlichgesinnte Menschen drückten ihr Mißfallen über die Unduldsamkeit derer aus, die schnell bereit sind, gegen die Diskriminierung ihrer Person in anderen Ländern zu protestieren.STETIGER FORTSCHRITT
Während der 1970er Jahre ist die Zahl der Verkündiger ständig gestiegen. 1974 waren es 200, 1975 250, und im Jahre 1976 wurde eine Höchstzahl von 276 Verkündigern erreicht. Die Zahl der Anwesenden bei den Kongressen und beim Gedächtnismahl stieg auf über 400 an. Nach diesem Aufschwung wurde der Stand im allgemeinen gehalten, einige Neue kamen, einige verließen das Land, und andere legten nicht das erforderliche Ausharren an den Tag. Die Versammlungen in Ram Allah und Bethlehem (oder Beit Jala) haben nun schöne zentral gelegene Königreichssäle.
Die Zahl der Königreichsverkündiger in Jordanien ist seit 1968 (als die Versammlungen in Ram Allah und Bethlehem nicht mehr zu Jordanien zählten) von 19 auf einen Durchschnitt von ungefähr 40 gestiegen. In der Hauptstadt Amman gibt es eine Versammlung.
Alle Brüder, durch die nach dem Ersten Weltkrieg die Wahrheit nach Ram Allah gekommen ist, sind bereits tot. Der letzte starb im Frühjahr 1971. Auch Ibrahim und Atallah Shehadi, die ersten Brüder, mit denen in den 1930er Jahren in Haifa Kontakt aufgenommen wurde, haben ihren Lauf in Treue vollendet; Ibrahim starb 1978 und Atallah im Juli 1979. Die beiden Schwestern, die das Werk in Tel Aviv und Umgebung begannen, Frieda Susser und Fanny Mintzer, sind immer noch eifrig im Dienst tätig, und bis heute haben sich ihnen viele weitere angeschlossen. Alle diese Königreichsverkündiger auf diesem bedeutsamen Fleck Erde sind in ihrem Werk glücklich vereint.
[Fußnote]
^ Abs. 3 Der Name „Palästina“ wurde indirekt von „Philistäa“ abgeleitet, einem Namen, mit dem ursprünglich nur das von den Philistern bewohnte Küstengebiet bezeichnet wurde.
[Karte auf Seite 213]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
Israel und Jordanien
MITTELMEER
LIBANON
SYRIEN
IRAK
SAUDI-ARABIEN
ÄGYPTEN
TOTES MEER
JORDAN
ISRAEL
JORDANIEN
Akko
Haifa
Megiddo
Kapernaum
Nazareth
Cäsarea
Samaria
Nablus
Bethel
Ram Allah
Jericho
Tel Aviv-Jaffa
Asdod
Askalon
AMMAN
JERUSALEM
Bethlehem
Hebron
Beer-Scheba
Petra
[Bild auf Seite 216]
Israel — ein Land der Gegensätze, in dem sich das Alte mit dem Neuen trifft
[Bild auf Seite 220]
Ibrahim (links) und Atallah Shedahi, zwei leibliche Brüder, gingen im Zeugniswerk in Haifa bahnbrechend voran.
[Bild auf Seite 232]
Frieda Susser (links) und Fanny Mintzer, die beide aus demselben polnischen Dorf stammen, begannen das Zeugniswerk in Tel Aviv-Jaffa.
[Bild auf Seite 252]
Einige der vielen Zeugen, die im Jahre 1978 das Land der Bibel bereisten